Anno 1707
§ 95

[242] Bei [Seit] drei Jahren her hatte ich bald hier bald da Hoffnung gehabt befördert zu werden. Anno 1704 tat ich, wie oben gemeldet, eine Gast-Predigt in Krossen. Anno 1705 sollte ich nicht weit von Breslau bei einem Prediger auf dem Lande Substitute werden, wenn ich Lust gehabt hätte, war aber dazu nicht zu bereden. Herr Professor Krantz trug mir das Tertiat im Thorunischen [Thornschen] Gymnasio an, ich schlug es auch ab. Anno 1706 sollte ich, wie kurz vorhin gemeldet, nach Rawitsch kommen, wurde aber durch Inspector Neumannen, und Krantzen daran gehindert. Jetzt Anno 1707 im Herbst schlug mich der Herr D. Rechenberg dem Grafen Henckel zu Teschen bei der dortigen Vacanz in Ministerio [Predigeramt] vor, von welchem er um ein tüchtiges Subjectum war ersuchet worden. Der Graf hatte sich auch die Recommendation gefallen lassen, und würde die Wahl auch vor mich glücklich ausgefallen sein, wenn nicht der Prediger daselbst, Herr Muthmann, den man bei dem Convent zu Rate gezogen, sich meiner Wahl stark opponiret hätte. Er war ehedessen mein Auditor in Leipzig gewesen, und hatte unterschiedene Collegia Homiletica [Predigtkurse] bei mir gehalten [besucht]. Was ihn nun angefochten, daß er mir zuwider gewesen, ob ihn die Furcht seinen Applausum zu verlieren, oder der Eckel vor der Partei, die er doch nach der Zeit selbst ergriffen, wider mich aufgebracht, weiß ich nicht. Ich war ihm aber herzlich verbunden, als ich hörte, daß er meine Vocation verhindert; denn ich hätte auf meine alte Tage müssen Slavakisch [Slowakisch] oder Sclavonisch lernen, welches, wie ich hörte, der Schlüssel zu allen den Sprachen ist, welche die Böhmen, Polakken, und Ungern reden, so daselbst eingepfarret. Und wie leicht hätte es mir hernach eben so gehen können, wie es dem Herrn Muthmann selbst vor etlichen Jahren gegangen, daß ich so, wie er, wäre aus dem Lande gejaget worden. Wiewohl ich daran noch zweifele, ob solches würde geschehen sein. Denn einem Bauer oder Bürger bald den Himmel zuzuschließen, und den Weg zum[242] Altar zu versperren, weil er aus Freuden manchmal um die Saule in der Schenke herum springet, hätte mich wohl allzu harte deuchten dürfen.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 242-243.
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