Betragen beym Spiel.

[159] Ladet dich ein Vornehmer zum Spiel ein, so nimm die Parthie an. Es ist eine mißliche Lage, wenn man keins der Spiele kennt, die man in den Gesellschaften von gutem Ton zu spielen pflegt. Es ist beynahe Nothwendigkeit, sich auch diese Kenntnisse zu erwerben. Man muß sonst oft in Gesellschaft dastehen, und die Wände ansehen. Es ist nicht gut, daß man das Spiel für ein Bedürfniß der Gesellschaften hat ansehen lernen – aber es ist nun einmal nicht anders. Man kann spielen, ohne sich zum leidenschaftlichen Spieler zu erniedrigen. Spiele, wenn du spielst, mit Aufmerksamkeit. Nimm lieber gar die Karte nicht in die Hand, als wenn du hinterher gestehen mußt, du seyst heute zu zerstreut, habest keine Gedanken aufs Spiel, spielest überhaupt nicht gern. Spielst[160] du mit einem Vornehmern, so lasse diesen bestimmen, wie hoch man spielen wolle. Spielst du unter Freunden und Bekannten, so würde das von einer falschen Schaam zeigen, wenn du es nicht gestehen wolltest, im Fall sie den Preis des Spiels sehr hoch zu setzen willens wären, daß dieser Preis für deine Lage, deine Vermögensumstände zu hoch sey.

Wenn die Reihe an dich kommt, die Karte zu mischen, so taillire sie gut. Selbst das Spiel deiner Finger dabey muß eben sowohl von Fertigkeit, als Anstand zeigen. Die Blätter theile gelassen aus. Keiner muß sehen, was du dem Andern giebst, darum halte bey diesem Geschäfte die Karte nicht zu hoch. Wirf die Blätter den Mitspielenden nicht hastig zu. Verletze weder aus Muthwillen, noch aus Fahrlässigkeit die einmal festgesetzten Regeln des Spiels. Spiele nach Grundsätzen, nie nach Launen. Man ist nie strenger, als beym Spiel, und wird nirgends leichter beleidiget, als bey diesem Vergnügen. Gucke keinem[161] in die Karte, wenn er sie auch so halten sollte, daß du mit leichter Mühe ausforschen könntest, was er habe. Schlau mag so etwas allenfalls seyn; aber ehrlich ist es doch wohl nicht ganz. Spiele dein Spiel ruhig; rede nichts weiter dabey, als was zum Spiele gehörig ist. Nach der beendigten Tour ahnde nicht den Fehler deines Mitspielers, der dir oft nur Fehler scheinet. Ueber das Reden nach dem Spiele entstehen viele verdrüßliche Dispüten, die oft wahre gute Freunde wenigstens auf einige Augenblicke lang zu Feinden machen. Gewinnst du, so necke den Verspieler nicht. Verspielst du, so nergele weder, noch tobe und wüthe; hast du gewonnen, so streiche ohne Uebermuth und habriges Wesen deinen Gewinnst ein; triumphire aber auf keine Weise über den, der verlohren hat. Das Spiel gleicht der Aufschrift des memento mori – nach der Uebersetzung vor einem bekannten Himmelsweg – heute mir, morgen dir. Ehe du Schulden machst, höre lieber[162] auf zu spielen. Man kann es leicht überrechnen, darum macht man sich läppisch und klein, wenn man seinen gehabten Verlust vergrößert. Setzest du dich zum Spiel, um zu gewinnen, so handelst du thöricht. Mit Gaunern lasse dich nicht ein.

Quelle:
Claudius, G[eorg] C[arl]: Kurze Anweisung zur wahren feinen Lebensart. Leipzig 1800, S. 159-163.
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