3) Der Stolze.

[70] »Der Stolz hat sein Gutes,« hat Voltaire gesagt; »aber wenn er durch Unwissenheit gestützt wird, ist er vollständig!« – Ein Mann unserer Zeit hat als Gegensatz zu diesem Ausspruche geäußert: »Die Bescheidenheit ist das Selbstbewußtsein der Dummköpfe.«

Sollte indessen nicht zwischen dem Stolze und der Bescheidenheit eine rechte Mitte bestehen? Wir wenigstens glauben dieß.

In der Welt und in dem Umgange mit derselben besteht diese rechte Mitte darin, den Stolz, den man besitzt, zu verbergen, und die Bescheidenheit, die man nicht besitzt, zu zeigen. Wer diese Doppelregel befolgt, der wird sich dabei gewöhnlich sehr wohl befinden.

Von allen Menschen ist der lächerlichste ein stolzer Einfaltspinsel.

Von allen Menschen ist der unerträglichste ein Mann von Verdienst, der sich darauf übermäßig stolz zeigt.

Der Stolze macht sich größtentheils allgemein verhaßt, weil die Menschen in Folge eines angeborenen Instinctes die nicht lieben, welche darnach trachten, sie in irgend einer Beziehung zu beherrschen.

Allzugroße Bescheidenheit ist ein Fehler und kann sogar zu einem Laster werden.

Wenn man seinen eigenen Werth selbst nicht fühlt, wird man nimmermehr Andere davon überzeugen können.[70]

Wer kein Dummkopf ist, wird sich nach seinem wahren Werthe zu würdigen wissen.

Um sich nicht zu täuschen, ist es besser, sich etwas zu wenig, als etwas zu viel selbst zu würdigen.

Man schätze sich nicht nach dem, was man selbst von sich hält, sondern nach dem, was Andere von uns halten.

Man lacht über einen stolzen Tropf, aber man fürchtet den Stolz eines höher begabten Menschen und flieht vor diesem oder verabscheut ihn.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 70-71.
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