Amber, grauer

[36] Amber, grauer. Diese Substanz besteht aus kleinen, sehr leichten, unebnen, undurchsichtigen Massen, welche äusserlich von mehr oder weniger grauer Farbe, inwendig mit gelblichen, rothen oder schwärzlichen Streifen, und mit eingesprengten weißlichen, sehr geruchvollen Punkten durchwebt sind. Er läßt sich leicht zerbröckeln, ist etwas fett anzufühlen, hat keinen auffallenden Geschmack, aber einen feinen, höchst lieblichen, doch schwachen Geruch, welcher sich nur erst dann stärker entwickelt, wenn er mit andern riechenden Substanzen zusammen gerieben wird; denn vor sich läßt er sich nicht fein pülvern.

Der mit einer schwarzen Rinde äusserlich umgebne ist zuweilen von gleicher Güte, wenn seine innere Beschaffenheit nur der beschriebnen gleich ist. Man findet in großern Massen nicht selten Stücken vom Kiefer des eßbaren Dintenfisches (sepia octopodia L.), auch schwarze glänzende Muschelschalen u.s.w.

Zwischen den Händen wird er weich, und läßt sich dann wie Wachs zusammenballen. Er schwimmt in den kleinsten Theilchen, so wie in größern Stücken auf dem Wasser, zerfließt als ein Oel, wenn das Wasser kocht, bläht sich auf einem glühenden Bleche ungemein auf, und dampft unter einem aschgrauen Rauche und einem lieblichen, bernsteinähnlichen Geruche gänzlich hinweg; ans Licht gehalten, faßt er geschwind Feuer, und brennt mit heller Flamme. Dem kochenden Wasser theilt er seinen Geruch mit, läßt sich aber nicht auflösen, eben so wenig als vom Weingeiste, außer wenn er mit Weinsteinsalze geschärft ist. Sein eigentliches Auflösungsmittel ist der Vitrioläther, welcher nach Sande aus 24 Theilen 17 Theile in sich aufnimmt; die übrigen 7 Theile sind ein schwarzes pechartiges[36] Oel, ohne Geruch und Geschmack. Eben dieß thut in der Digestion ein Gemisch aus vier Theilen Weingeist und Einem Theile starker Vitriolsäure. Der Amber scheidet sich großentheils wieder aus dem Aether ab, wenn man Weingeist hinzugießt, in Gestalt einer weißen (wachsähnlichen?) Materie, welche leicht schmilzt, und in der Hitze ohne Wohlgeruch verdampft.

Von ausgepreßten Oelen wird fast nichts, von ätherischen aber ein großer Theil aufgelöst.

In der trocknen Destillation erhält man eine dem Bernsteinsalze nach Grimm sehr ähnliche trockne Säure, ein saures Wasser, und ein feines gelbes nach und nach bräuner übergehendes Oel.

Diese Kennzeichen sind hinreichend, seine Güte auszuforschen; man setzt aber noch, als eine Probe im Kleinen, hinzu, daß, wenn man mit einer glühenden Nadel hineinsteche, zwar nichts an derselben hängen bleibe, aber ein wohlriechendes Oel aus der Oefnung dringe.

Man findet ihn gewöhnlich nach großen Stürmen auf dem Meere an den Gestaden schwimmen, fast rings um Afrika und dem indianischen Meere herum, man liest ihn auch aus dem Sande des Strandes und von den Felsen ab, wo ihn der Ozean hingespült hat. An der Küste von Madagaskar und Sumatra wird er von der besten Art gefunden, und daselbst porabar genannt; dann auch an verschiednen japanischen Küsten, den moluckischen Inseln, den Küsten von Aethiopien, zwischen Solfala und Brama, vorzüglich aber zwischen Mosambik bis an das rothe Meer, auf der Marieninsel, an der Insel Diego-Ruis, der Moritzinsel, an den maldivischen Inseln, an den Küsten jenseit des Vorgebirgs der guten Hofnung. Auch an den Küsten der bermudischen Inseln, den Küsten von Jamaika, Karolina, Florida, Tabago, Barbados u.s.w. auch an verschiednen russischen und europäischen Küsten, wiewohl selten.

Ob er thierischen, mineralischen, oder wohl gar gewächsartigen Ursprungs sey, das ist, ob er im Pottfisch erzeugt, ob er aus den Erdschichten der Küsten nur losgerissen werde, oder ob er das ins Meer gespülte Harz der Amyris ambrosiaca L. sey, hat man noch nicht entschieden, obgleich sein mineralischer Ursprung immer noch der wahrscheinlichste ist.

Der glatte, ebene, einfärbige, ganz weiße oder ganz schwarze Amber von ungewöhnlichem Geruche taugt nicht viel. Von letzterer Art ist gewöhnlich der ambre rénarde, (in Madagaskar Minahary genannt,) aus den Gedärmen des Pottfisches (physeter macrocephalus L.) genommen, welcher den Amber vorzüglich gern zu verschlingen scheint.

Die Verfälschung des Ambers mit Mehle von Reishülsen wird leicht von Würmern durchstochen, und ist hieran kenntlich. Andre Verfälschungen lassen viel Kohle beim Verbrennen, und diese nach der Einäscherung eine Kalkerde zurück.

Das äussere Ansehn, der innere Bruch, der Geruch, die Leichtigkeit, die lockere Konsistenz des ächten Ambras, seine Unauflösbarkeit in Weingeist, seine Leichtauflöslichkeit[37] in Aether, sein Aufblähen und fast gänzliches Verfliegen auf einem heißen Bleche unter dem bekannten Wohlgeruche, und sein ölartiges Zerfließen aufkochendem Wasser werden ihn von allen Nachkünsteleien hinreichend unterscheiden, selbst von allen Zumischungen und Verfälschungen mit Storax, Benzoe, Ladanum, Pech, Wachs, Harz u.d. gl.

Der Ambra läßt seinen schwachen Geruch durch Zumischung andrer, vorzüglich riechbarer Dinge, und durch seine Auflösung ungemein erhöhen, eine Eigenschaft, welche die Parfümirer, welche ihn am häufigsten (zu wohlriechenden Pomaden, Haarpuder, Riechwassern, in Schminken u.s.w.) brauchen, wohl zu nutzen wissen.

Ambra ist fast für jedermann das angenehmste Räucherwerk, und eins der besten analeptischen, herzstärkenden und Lebensgeist ermunternden Mittel, doch nur in größern Gaben als man sonst gab. Erst bei dreisig Gran erscheint nach Boswell eine angenehm reitzende Wirkung auf die Nerven und Blutgefäse; in Auflösung vermuthlich schon bei kleinern Gaben. Es lassen sich krampfstillende und beruhigende Kräfte von ihm erwarten. Was er in Unvermögenheit, Unfruchtbarkeit, Hysterie und Schlagflüssen vermag, muß ausser dem, was die Alten darüber gesagt, noch durch nähere Erfahrung bestätigt werden. In der Chokolade macht er ausser der Vanille das vorzüglichste Gewürz aus.

Deutschland wird größtentheils von den Holländern mit Ambra versorgt, wo der beste zu 28 Gulden die Unze gewöhnlich bezahlt wird; der schlechtere fällt bis zu 18 Gulden. Den besten, welchen die Portugiesen von Mosambik in Afrika, eigentlich aber von Melinde bei der Mündung des Flusses Rio Seno ziehen, bekommen wir gar nicht.

Man bewahrt ihn, nicht wie in alten Zeiten aus Wahne geschah, in bleiernen oder zinnernen Büchsen, sondern in wohlverstopften gläsernen Flaschen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 36-38.
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