Bittersüßnachtschatten

[129] Bittersüßnachtschatten, Solanum dulcamara L. [Zorn pl. med. Tab. 43.] mit Blumentrauben in Afterschirmen, und strauchigem, gewundenem Stengel, woran die obern Blätter spondonförmig sind, ein perennirendes Gewächs, welches in Hecken, die an Bächen stehen, so wie überhaupt in feuchten Ufergebüschen aufklettert, und im Mai und Brachmonat blüht.

Ehedem brauchte man die Blätter nebst den Ranken (folia cum caule dulcamarae), jetzt blos die dünnern Ranken (stipites dulcamarae, amarae dulcis), welche einen schwachen, widrigen Geruch und einen anfangs bitterlichen, nachgehends süßlichen Geschmack haben. Zuweilen findet man diese Theile fast unwirksam, zuweilen übermäßig stark wirkend. Dann erregen sie Angst, Schwindel, Ekel u.s.w. Diese Unwirksamkeit kann von der starken Hitze beim Kochen des Absuds, wie auch davon herrühren, daß man nur die jüngsten[129] wässerigsten Ranken nimmt. Die vorjährigen Ranken sind kräftiger, und ein mit kochendem Wasser bereiteter Aufguß kräftiger als ein langwieriges Abkochen, welches man unterlassen muß, wo es nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist.

Man verordnet gewöhnlich zwei bis drei Quentchen im Absud (Aufguß), und erwartet Schweiß und Harn treibende Kräfte davon in Hautausschlägen, Rheumatismen; sie scheinen die Thätigkeit der Lymphgefäse zu erregen.

Auch als frisch ausgepreßten Saft braucht man sie, und die Alten haben die gequetschten Blätter zur Zertheilung auf verhärtete Brüste gelegt.

Die zuweilen (zu ähnlicher Absicht) gebrauchte holzige Wurzel (rad. dulcam.) von gleichem aber stärkerm Geschmacke, oder vielmehr ihre Rinde, möchte noch eher bestimmte Wirkungen leisten.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 129-130.
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