Durchseihen

[237] Durchseihen (Filtratio, Colatio), heißt eine mit festen Theilen gemischte Flüssigkeit durch einen gehörig dichten Stof, worauf die festen Theile zurückbleiben, hell durchlaufen lassen. So scheidet man Erden und Metallkalke von überflüssiger Feuchtigkeit, oder befreiet Laugen von den trübe machenden, eingemischten Unreinigkeiten.

Diese mechanische Absonderung mechanisch in Flüssigkeiten verbreiteter Körper geschieht mittelst der Durchseiher (Filtra, Cola), welche von verschiednen Stoffen und verschiedner Gestalt sind, je nach der Natur der durchzuseihenden Flüssigkeit.

Sie müssen von einer Materie seyn, die sich von der Flüssigkeit weder zerfressen, noch auch angreifen läßt. So werden graues Löschpapier und schaafwollenes Zeug von ätzenden alkalischen und schwefelleberichten Laugen angegriffen, und aufgelöst, die Laugen selbst aber verunreinigt, während Seihezeuge von weißem Druckpapiere, von Leinwand und Baumwolle wenig oder nicht davon leiden. Letztere werden wie erstere von mineralischen Säuren zerbeizt, taugen also zu ihrer Durchseihung nicht, und man muß sich dazu einer Schicht ganz reinen Sandes, noch besser aber, geglühten, abgelöschten und gepülverten Glases, in gläserne Trichter gelegt, bedienen.

So würde es auch unschicklich seyn, zur Abziehung der Feuchtigkeit von theuern feinen Pulvern, Karmin, Kermes, auflöslichem Quecksilber u.s.w. sich eines größern Filtrums als des weißen Druckpapiers zu bedienen.

Durch ganze dichte Mediums, durch festes Druckpapier oder dichte Leinwand lassen sich dickliche Flüssigkeiten, konzentrirte Salzlaugen, Zuckersäfte u.s.w. nicht seihen, kaum wenn sie erwärmet sind; hiezu müssen lockerere Stoffe, Flanell, lockere Leinwand, lockeres Löschpapier u.s.w. genommen werden.

Die Gestalt der Durchseiher ist am besten spitztrichterförmig, um die Flüssigkeit durch ihre Schwere zu nöthigen, hindurch zu fließen. So faltet man das Fließpapier in Trichterform, um die zu filtrirende Feuchtigkeit hinein zu gießen, und stellt es entweder vor sich auf ein hohles Gefäs (mit einem eingeschobnen Spänchen oder Röhrchen an der Seite, den Austritt der Luft aus dem Gefäse zu erleichtern) oder in einen ähnlich gestalteten Filtrirkorb, oder in einen gläsernen inwendig mit abwärts laufenden Furchen versehenen Trichter.

So verfertigt man zu größern Arbeiten länglichte, sehr spitz gestaltete Säcke aus wollenen oder leinenen Zeugen, die sogenannten[237] Spitzbeutel oder Filtrirsäcke (Manica Hippocratis), schließt diese auch wohl in blecherne Trichter, mit einem Deckel verwahrt, ein, die Ausdampfung feiner Flüssigkeiten, feiner Essenzen u.s.w. zu verhüten.

Nur die Durchseihung großer Mengen ganz dünner, leicht abfließender, wässeriger Feuchtigkeiten verrichtet man auf breiten Tüchern in Rähmen (Tenakel, Sustentaculum) ausgespannt.

Andre Seihezeuge, als Baumwolle in gläserne Trichter gelegt, auf Netze ausgebreiteten Hanf, Filtrirsteine, Strohschichten in Fässern mit durchlöchertem Boden u.s.w. berühre ich nicht, weil ihr Nutzen zu einseitig oder doch auf Arbeiten eingeschränkt ist, welche nicht unmittelbar die Arzneiverfertigung betreffen.

Blos Flüssigkeiten, welche ihre Trübheit von selbst mit der Zeit zu Boden setzen, lassen sich wasserhell durchseihen, nicht aber solche, deren trübe Theile sich ihrer Feinheit wegen nicht absetzen, und gleichsam im Zustande einer halben Auflösung sind, z.B. Dinte, mehrere Dekokte, Fruchtsäfte u.s.w. Sollen diese durchsichtig werden, so werden andere Vorbereitungen erfordert, die man im Artikel Abklären nachzusehen hat.

Einige Flüssigkeiten scheiden sich leichter von ihren trüben Theilen, wenn man sie (im Fall es ohne Veränderung ihrer Natur geschehen kann,) mehr oder weniger vorher erhitzt.

Wenn trübe Flüssigkeiten nicht aufs erste mal hell durchlaufen, so müssen sie mehrere male wieder zurück auf das Filtrum gegossen werden; indeß quellen die Fasern des Durchseihers immer mehr an, und nähern sich einander, oder es setzt sich eine Schicht trüber Theile darin fest, welche blos der hellen Flüssigkeit das Durchfließen verstatten.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 237-238.
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