Edelweinrebe

[241] Edelweinrebe, Vitis vinifera L. mit Blättern, die in fünf Einschnitte, und diese wieder in tiefere getheilt sind, von denen der mittlere der längste und breiteste ist, auf der untern Fläche mit mehr oder weniger einzelnen feinen Haaren besetzt, ein in gemäsigten Erdstrichen einheimischer, bis zum 52sten Grade ausdauernder, bekannter Strauch mit fast unzähligen Abänderungen.

Der aus den saftigen süßen Beeren gedrückte Most wird durch von selbst erfolgende Gährung zu einer Flüssigkeit, welche eine mit Weingeist versüßte Essigsäure zu seyn scheint, nämlich zu Wein (vinum), wovon man von Zeit zu Zeit mehrere Sorten zu arzneilichen Absichten angewendet hat. In gehöriger Gabe ist er eine aufheiternde, Nervenkraft erhebende, belebende Arznei vom ersten Range, in allzu großer aber erhitzt und betäubt er giftartig.

Die an der Sonne getrockneten Beeren, die Rosinen (Passulae majores, Uvae massilioticae, Uvae passae majores), enthalten den unveränderten Most in konzentrirter Gestalt. Sie sind, wie letzterer, ihrer schleimigen und zuckerartigen Theile wegen, als ein Husten linderndes, Leib eröfnendes Mittel gebraucht worden.

Die ganz große Sorte, die Zibeben (Zibebae, Uvae passae maximae, Uvae damascenae), sind fast einen Zoll lang, und breit, gelbbraun, wie mit Zuckerstaub besprengt, sehr süß, und haben wenig Kerne. Man bedient sich ihrer wie letzterer, zu Laxier- und Brusttränken.

Den im Frühlinge aus den verschnittenen Reben träufelnden, geschmacklosen, unkräftigen Saft (Rebenwasser, lacrymae vitis,) rühmten die Alten gegen alle Arten äusserlicher und innerlicher Entzündungen.

Die herbsäuerlich schmeckenden Blätter (fol. vitis. Pampini) wurden von ihnen frisch ausgepreßt, im Heißhunger, Ruhr und andern Krankheiten angewendet, wo man anhaltende und kühlende Dinge nöthig hatte, und die schwach, aber höchst angenehm riechende Weinblüthe (flor. vitis) priesen sie als ein herzstärkendes Mittel.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 241.
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