Eisen

[243] Eisen (Ferrum, Mars), das bekannteste und häufigste unter allen Metallen, welches höchst strengflüssig, in allen Säuren auflöslich, und sehr dehnbar ist. Es unterscheidet[243] sich von den übrigen Metallen, daß es vom Magnet stark angezogen und selbst magnetisch wird, glühend abgelöscht eine große Härte annimmt, in feuchter Luft geschwind in einen braungelben Kalk, den man Eisenrost (Rubigo ferri) nennt, unter Wasser aber in ein schwarzes Pulver zerfällt, welches man Eisenmohr (aethiops martis) nennt, daß es von Galläpfeltinktur schwarz, von der Blutlauge blau, von schwefelleberlufthaltigem Wasser mit hervorstechender Säure aber (Hahnemanns Weinprobe) nicht niedergeschlagen wird.

Da das Eisen eins der wohlthätigsten Metalle für die Arzneikunde ist, so hat man es in der Apotheke unter sehr vielen Zubereitungen und Formen.

Unter allen Gestalten hat es die Eigenschaft, die Faser zu befestigen und dauerhaft zu stärken, den Blutlauf in schnellere Bewegung zu bringen, das Blut selbst aber röther, zusammenhängender und kräftiger zu machen. Daher es in Leukophlegmasie und Bleichsucht ein vorzügliches Hülfsmittel abgiebt.

Die einfachste Zubereitung ist die Eisen- und Stahlfeile (limatura martis, ferri chalybis). Man feilt Stabeisen oder wohlausgeglühten und so weich gemachten Stahl in Apotheken selbst. Von Handwerkern, welche oft mit Kupfer löthen, Eisenfeile zu kaufen, und das angeblich reine Eisen durch den Magnet auszuziehn, ist ein thörichtes Unternehmen, weil die feinen Kupfer- und Messingspäne nicht selten an den eisernen hängen, oder gar ein Ganzes damit ausmachen, und so ebenfalls mit aufgezogen werden.

Da aber die Eisenfeilspäne, wenn sie nicht mit einer sehr feinen Feile (welches viel Zeit und Mühe erfordert,) verfertigt worden, schwierig und nicht ohne Beschwerde einzunehmen sind, so pülvert man die gröbern Eisenfeilspäne in einem großen gußeisernen Mörsel vor sich zu einem so feinen Pulver als möglich, und hebt dasselbe in einem verstopften trocknen Gefäse unter dem Namen Eisenfeilpulver (Alcohol martis) auf.

Einige glühen die grobe Eisenfeile vor dem Pülvern und löschen sie mit Wasser ab; sie läßt sich dann leichter stoßen. Es ist aber zu merken, daß sie nach dem Ablöschen sehr geschwind vom Wasser abgesondert und jähling getrocknet werden muß, weil sie sonst leicht rostet.

Beim innerlichen Gebrauche hat das gepülverte Eisen den Nachtheil, daß es ein übelriechendes häufiges Aufstoßen von brennbarer Luft erregt, weshalb man von Zeit zu Zeit auf Eisenbereitungen gedacht hat, welche diesen Nachtheil wenig oder nicht mit sich führen.

Unter diese Bereitungen gehört Lemery's Eisenmohr (Aethiops martis Lemeryi), ein schwarzer ziemlich entbrenntbarer Eisenkalk, welcher wenigstens 30/100 dephlogistisirte Luft enthält, und im Quentchen nur drei Kubikzoll brennbare Luft von sich giebt, während ein Quentchen rohe Eisenfeile 40 Kubikzolle giebt. Man thut, um ihn zu bereiten, kleine eiserne Nägel, oder grobe Eisenfeile in ein Gefäs mit Regen- oder Flußwasser angefüllt, bedeckt es nur leicht, und[244] rührt es täglich einige mal um. Nach Verfluß von etwa Einem Monate, hat sich ein Theil des Eisens zu einem Pulver (Eisenmohr) zertheilt, welches nach dem Umrühren des Wassers lange darin schweben bleibt; man gießt das umgerührte, schwarz getrübte Wasser ab, läßt es setzen, und macht den schwarzen Satz in der Wärme auf Löschpapier so geschwind als möglich trocken. Dieses mühsame, wenigstens langwierige Verfahren kann man ersparen, wenn man ganz kupferfreien, selbst bereiteten und in Wasser aufgelöseten Eisenvitriol oder eine Eisenauflösung in Essig mit kaustischalkalischer Lauge oder ätzendem Salmiakgeiste fällt, den Satz etlichemal aussüßt, und so schnell wie möglich in der Wärme auf oft erneuertem Fließpapiere trocknet, und in einer erwärmten Flasche wohl verstopft aufhebt. – Ein äusserst feines Pulver, welches sich recht leicht und bequem zu jedem Behufe einnehmen läßt, wozu man Eisenbereitungen braucht. Es wird vom Magnete angezogen.

Der nicht vom Magnet anziehbare Eisenrost (Rubigo ferri) steht dem Eisenmohr an arzneilicher Güte keinesweges nach; er macht gar kein übel riechendes Aufstoßen, nimmt sich bequem ein, löset sich eben so leicht im Magen auf, läßt sich leichter bereiten, und kann immerdar ohne einigen Verlust seiner Güte selbst an freier Luft aufbehalten werden.

Man befeuchtet zu dem Ende selbst bereitete Eisenfeile, Eisenbleche oder kleine Nägel in einer flachen, an die freie Luft gesetzten Schale öfters mit Wasser, und rührt öfters um, damit die freie Luft gehörig darauf wirken könne. Oder man schlägt, um geschwinder und reinlicher zu verfahren, eine reine Eisenauflösung mit Laugensalz nieder, süßt den Niederschlag etliche mal aus, und rührt dann den Satz im Keller so lange um, bis er trocken geworden ist, und eine braungelbe Farbe angenommen hat.

Wird einer dieser Eisenkalke, oder irgend ein anders bereiteter, bei heftigem und anhaltendem Feuer in offenen Gefäsen bis zur Röthe kalzinirt, so entsteht der Eisensafran (Crocus martis), den man ohne Noth in den anhaltenden oder adstringirenden (Croc. mart. adstringens) und den eröfnenden (Croc. mart. aperitivus) abtheilt. Er wird selten mehr verordnet.

Nächstdem hat man das Eisen durch mehrere Säuren in Salzgestalt gebildet, größtentheils um dieß Metall in flüssiger Gestalt geben zu können.

Die abgedampfte Auflösung des Eisens in starker Vitriolsäure mit dreimal so viel Wasser verdünnt, erzeugt ein leicht auflösliches grünes metallisches Salz in übereinander geschobnen rautenförmigen Tafeln, den reinen Eisenvitriol (Eisensalz, Stahlsalz, Sal martis, Sal chalybis, Vitriolum martis Riverii), welcher 20/100 Eisen, 36/100 Säure, und 44 Wasser nach Westrumb enthält. Man giebt dieses sehr ekelhaft metallisch schmeckende Salz zu wenigen Granen gegen Würmer, auch als Brechmittel, und aufgelöst in Ermangelung andrer wohlschmeckendern Eisenauflösungen als Stärkungsmittel.

Man kann zwar den gemeinen Vitriol (Kupferwasser, Vitriolum[245] commune, Vitr. viride, goslariense, anglicum,) auch Eisenvitriol nennen; er ist aber gewöhnlich mit mehr oder weniger Kupfer-, auch wohl Zinkvitriol vermischt. Ist das beigemischte blos Kupfer, so könnte man es wohl absondern, wenn man die Auflösung eines solchen Vitriols in einem eisernen Kessel mit eingelegten Eisenblechen kothen läßt, die Auflösung durchseihet, abdampft und anschießen läßt; allein es ist doch immer sichrer, den zum innern Gebrauche bestimmten Eisenvitriol selbst auf obige Art zusammen zu setzen.

Bei der alten Art, die eisenhaltigen Salmiakblumen zu bereiten, bleibt ein kochsalzsaures Eisen (Eisenkochsalz) in der Retorte zurück, welches leicht an der Luft zerfließt, und Eisenöl (oleum martis) genannt wird, aber in der Arznei, seiner Vortrefflichkeit ungeachtet, vor sich wenig genutzt worden ist, bis man die Bestuchefsche Nerventinktur (Tinctura nervino tonica flava) daraus bereiten lehrte, zu welcher man das unzerflossene Eisenöl bei erhöheterm Feuer sublimirt, den Sublimat im Keller zerfließen läßt, das entstandene Eisenöl mit dem doppelten Gewichte rektifizirter Vitriolnaphthe schüttelt, die oben aufsteigende hellbraune Tinktur abgießt, mit dem doppelten Gewichte des stärksten Weingeistes vermischt, und in kleinen zylindrischen mit Glasstöpseln verwahrten Gläserchen zum Gebrauche aufbewahrt. Der mit der Zeit daraus niederfallende Eisenkalk löset sich wieder auf, wenn man die Tinktur an die Sonne stellt.

Sonst bildet das Eisenöl noch in drei Theilen Weingeist aufgelöst, die Tinctura martis aurea, die Tinctura martis in spiritu salis und die Tinctura martis der Edinburger.

Auch der Weinstein bildet in der Apotheke Eisensalze. Das ungebräuchlichere ist der Stahl- oder Eisenweinstein (Tartarus chalybeatus, martialis), durch mehrstündiges Kochen reiner Eisenfeile mit vier Theilen Weinstein in einem eisernen Kessel, Durchseihen der Auflösung, Abdampfen und Krystallisiren zu einem grünlichen schwer auflöslichen Salze bereitet. In Wasser aufgelöst, giebt er die tartarisirte Eisentinktur (Tinctura martis tartarisata).

Gebräuchlicher sind die Eisen- oder Stahlkugeln (Globuli martiales, Boules de mars), wozu man reine Eisenfeile mit zwei Theilen Weinstein und so viel Wasser gemischt, daß die Konsistenz breiartig werde, einige Tage hindurch im Kalten öfters umrührt, bis eine zähe Masse daraus entsteht, aus der man dann eiförmige anderthalb Zoll lange Zapfen bildet, die man mit kleinen Bänderhenkelchen versieht, und unter obigem Namen aufhebt.

Ist die dazu genommene Eisenfeile, wie billig, kupferfrei gewesen, so können sie statt allen Eisenweinsteins auch innerlich gebraucht werden; ihre gewöhnlichere Anwendung aber ist äusserlich. Man hängt etliche derselben in ein Flußwasserbad, worin sie bis auf einigen Rückstand an unaufgelöster Kupfer- und Eisenfeile zergehen, und so ein eisenhaltiges stärkendes Bad liefern.

Auch die Essigsäure liefert ein Eisensalz (Eisenessigsalz), welches aber nur in eingedickter noch flüssiger[246] Form aufbewahrt wird, nämlich das Eisenextrakt (Extractum martis simplex). Man läßt zu dem Ende reine Feilspäne mit etwa einem vierfachen Gewichte Weinessig mehrere Tage in einem Kolben digeriren, bis man kein Zischen, d.i. keine auflösende Bewegung mehr darin bemerkt. Dann dampft man die helle braune Flüssigkeit bis zur Sirupsdicke ab, wenn dieß Extrakt entstehen soll, oder nur zum vierten Theile, unter nachmaliger Zumischung von Weingeiste, wenn man die adstringirende Eisentinktur (Tinctura martis adstringens T. mart. acetosa) haben will. (Beides sehr angenehme kräftigere Mittel.)

Sehr ähnlich ist letzterer die Eisentinktur, welche entsteht, wenn man reine Eisenfeile etliche Tage mit drei Theilen ausgepreßtem Safte von Borsdorferäpfeln (T. martis pomata) oder von Quitten (T. mart. cydoniata) digerirt, das Flüssige in einem eisernen Geschirre bis zur Hälfte einkocht, und der Haltbarkeit und des Wohlgeschmacks wegen ein Sechstel Zimmtgeist (aqua cinam. vinosa) zusetzt. Oder man seihet die zur Hälfte eingesottene Auflösung durch, und verdickt sie ohne letztern Zusatz bis zur Extraktdicke (Extr. martis pomatum, cydoniatum).

Hofmann lehrt diese Tinkturen dergestalt bereiten, daß man ein halb Pfund Eisenspäne mit zwei Pfund Weinessig zur Breikonsistenz einkocht, dann in einem Kolben, mit drei Pfund gut abgeklärten Quitten- oder Borsdorferäpfelsafte übergossen, in eine Digerirwärme auf einen Ofen oder in die Sonne einen Monat lang verstopft, hinstellt, und dann die helle Tinktur abgießt. Sie hält sich ohne Zusatz einer geistigen Flüssigkeit, und hat einen lieblichen Geschmack ohne Zumischung der Zimmttinktur, wie sonst gewöhnlich ist.

Die eisenhaltigen Salmiakblumen (flor. Salis ammoniaci martiales. Ens martis.) wurden ehedem sehr mühsam, kostspielig und ungleich bereitet, indem man ein Gemisch von gleichen Theilen Salmiak und Eisenfeile oder gepülverten Blutstein einige Zeit bis zum Feuchtwerden an der Luft stehen ließ, und aus einer Retorte mit angekütterter Vorlage im Sandbade bei allmählig bis zum höchsten Grade verstärkter Hitze auftrieb, zuletzt aber die verschiedentlich gefärbten Sublimatschichten mit dem Rückstande aus der Retorte zusammen, aufs neue sublimirte.

Eben so schön gefärbt und eben so kräftig erhält sie Wiegleb, indem er auf ein Pfund Salmiak zwei Unzen Blutstein oder eine Unze Eisenfeilspäne zur Sublimation einsetzt; Hagen, indem er auf gleiche Menge Salmiak eine Unze Eisensafran in Salzsäure aufgelöst nimmt, und sublimirt. Piepenbring läßt Salmiak in Wasser aufgelöst mit 1/12 Eisen so lange unter immerwährender Ersetzung des verdampfenden Wassers kochen, bis das Eisen aufgelöst ist, und sublimirt dann das abgerauchte Gemisch. Aber warum sublimiren? Das in letzterm Falle trocken abgedampfte und gepülverte Gemisch ist seiner Natur nach von dem sublimirten gar nicht verschieden, hat gleiches Ansehn und gleiche Kräfte. Nur scheint 1/16 Eisen hinreichend zu seyn.[247]

Parazelsus, und nach ihm Mynsicht, zogen aus den eisenhaltigen Salmiakblumen mit einem vierfachen Gewichte Weingeist die eröfnende oder Parazelsische Eisentinktur (Tinctura martis aperitiva, Tinct. mart. Mynsichti, Aroph. Paracelsi), eine goldgelbe schöne kräftigere Tinktur, welche mit Unrecht in Vergessenheit gerathen ist.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 243-248.
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