Entfärbung

[256] Entfärbung, ist die Verrichtung, wodurch man eine zwar durchsichtige, aber dunkelfarbige, mehrentheils gelbe oder braune Flüssigkeit hell und farbelos zu machen sucht durch Zerstörung ihres Extraktivstoffes, welcher meistentheils ein bränzlicht gewordenes Gluten ist. Diesen Zweck hat man weder bei frischen Pflanzensäften, noch bey Auszügen oder Abkochungen dürrer Gewächse, welche roh oder eingedickt als Arzney verbraucht werden sollen; ihre Kraft ist gemeiniglich mit ihrer Farbigkeit unzertrennbar: wohl aber hat man dieß bei Auflösungen der Salze zur Absicht, die man in ihrer Reinigkeit nicht eher herstellen kann, als bis die sie enthaltende Lauge wasserhell geworden ist.

Salze, welche ohne sich zu zersetzen, einen hohen Grad von Feuer aushalten können, lassen sich ohne Umschweife und am gewissesten von dem braunfärbenden Stoffe durch[256] ein stärkeres oder schwächeres Glühen reinigen, z.B. rohe Potasche, roher Borax, schmuziges Glaubersalz, u.s.w.

Andre Flüssigkeiten und Salze lassen sich durch behutsames Uebertreiben und Rektifiziren (z.B. Vitriolöl, Salmiak, u.s.w.) reinigen und weiß machen.

Andre Salze lassen sich ihrer Schwerauflöslichkeit wegen (z.B. Vitriolweinstein, Gyps, Weinstein, u.s.w.) durch öfteres Anschießen, andre hingegen, vermöge ihrer leichten Anschießbarkeit in der Kälte, durch Krystallisiren bei Froste rein herstellen, z.B. Salpeter, Alaune, u.s.w.

Aus andern Salzen lassen sich die braunen Laugen durch eine Art von Seigerung herausbringen, wie der Sirop aus dem schlechtern Zucker durch Auflegung feuchten Thons, welches man erden nennt. Und so läßt sich noch aus dem Potaschessigsalze die braune Lauge und aus dem Digestivsalze das Minerallaugensalz (bei Verfertigung des leztern aus Kochsalz durch Potasche) ausscheiden.

Doch, von allen diesen Handgriffen ist man längst unterrichtet, und wir haben es hier weniger mit der Absonderung der braunen Laugen von den reinern Salzen, als vielmehr mit Entfärbung der ihres Extraktivstoffes wegen unanschiesbaren, zähen, braunen Laugen selbst zu thun vorzüglich solchen, welche wegen ihrer leichten Zerstörbarkeit im Feuer nur in der Kälte oder doch bei geringer Wärme entfärbt werden müssen.

Die ältere Pharmazie hatte hiezu fast gar keine Hülfsmittel (denn das beschwerliche öftere Auflösen und Wiederanschießen war wenigstens bei leicht auflöslichen Salzen, z.B. dem Potaschessigsalze, von höchst geringem Nutzen) und nur in ganz neuern Zeiten ist man darinn weiter gekommen. Lowitz hat die meisten Verdienste hierum, indem er zufällig entdeckte, daß ein starker Zusatz von frisch gepulverter Holzkohle braune Laugen hellfärbiger und zuweilen farblos macht. Die Umstände bei dieser Entfärbung sind noch nicht völlig aufs reine, da sie einigen Scheidekünstlern gelungen, andern mislungen ist. So viel ist nach meinen neuern Erfahrungen gewiß, daß Salzlaugen vorzüglich die mit hervorstechender Säure in mehrtägiger kalten oder doch nur lauen Digestion immer hellfärbiger und flüssiger werden; (vorausgesetzt, daß man eher zu viel als zu wenig wohl ausgeglühte und sehr fein gepülverte Holzkohlen dazu gemischt hatte) ob diese Entfärbung aber durch stärkere Wärme beschleunigt werden könne und ob auch alkalische Salze auf diese Art entbrennbart werden, ist noch manchen Zweifeln unterworfen. Zuverlässig ist indeß, daß dieser Zusatz des Holzkohlenpulvers in einer mehrtägigen Digestion, bei Bereitung der wesentlichen Weinsteinsäure, des Sauerkleesalzes, der Essigkrystallen aus dem entwässerten Essig, und einer Menge Neutralsalzen, vortreflichen Nutzen leistet, nur daß ein Theil Säure dabei zersetzt und zerstört wird. Findet man nun die Laugen hellfarbig genug, so werden sie von Kohlenpulver mittelst des Durchseihens durch dichte Filtra befreiet und zum Anschießen vollends abgedampft. Wollen sie nicht klar durchs Filtrum gehen, so[257] war nicht hinreichend viel Kohlenpulver genommen worden.

Da ich vermuthete, daß das an den Kohlen hängende Kaustikum eine verdichtende Kraft auf den Extraktivstof äußere, und ihn so mit sich niederschlage, so versuchte ich auch den gebrannten Kalk, und fand, daß der Zusatz eines Zehntels desselben zu braunen Laugen dieselben in kalter Digestion entfärbe, wenn sie fleißig umgerührt werden; nur sind die sauren Laugen, einige mittelsalzigen als die metallischen und alaunenerdigen, und einige neutralsalzigen (z.B. weinsteinsaure) hievon ausgenommen, weil sie durch dieß Zwischenmittel in ihrer Natur verändert und zerstört werden. Die übrigen neutralsalzigen sowohl, als alkalischen Laugen werden sehr gut durch dieß Medium entfärbt. Sobald nach zwölf bis vier und zwanzigstündigem Umrühren die Lauge entfärbt worden ist, gießt man sie von dem Kalkbodensatze ab, läßt sie noch einige Tage an der freien Luft stehn und filtrirt sie denn.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 256-258.
Lizenz: