Feuer

[293] Feuer ist eine Erscheinung die aus dem Begriffe Licht und Wärme zusammengesetzt ist, und entsteht, wenn Dinge, deren Verbrennlichkeit wir aus Erfahrung kennen, von einer nahen Flamme, durch angebrachte Hitze, durch Reiben u.s.w. in den Stand gesetzt werden, sich mit dem Theile reiner Luft unsrer Atmosphäre zu verbinden und zu zersetzen, das ist, mit hellem Scheine zu verbrennen. Der Arzneiverfertiger bedient sich des Feuers häufig bei seinen Arbeiten, um durch jenes allgemeine und kräftigste aller Auflösungsmittel, die Hitze, Körper zu trennen, oder Körper zusammen zu setzen ( Wärme). Die Anstalt, mit welcher er das Feuer an die zu bearbeitenden Substanzen anbringt, sind die verschiednen Oefen (w.s.) In diesen setzt er die Substanzen entweder der unmittelbaren Wirkung des Feuers aus, z.B. bei einigen Kalzinationen (w.s.), oder er sondert die durch Hitze zu verändernden Körper von der unmittelbaren Berührung der Flamme mittelst eines Gefäßes ab, worinn er sie bearbeitet ( Gefäße). Ob der aus den Brennmaterialien sich mit der reinen Luft zur Entstehung der Flamme vereinigende Stoff den Nahmen Phlogiston, oder Kohlenstoff oder einen andern Nahmen führen solle, hierüber streitet sich die Pharmazie nicht. Genug wenn man weiß, daß weder die verbrennlichen Körper vor sich (ohne Zugang der reinen Luft) in Flamme gesetzt werden, noch auch die reine Luft vor sich (ohne Zutritt eines Brennmaterials) die Erscheinung des Feuers, Licht und Wärme, hervorbringen können; diese beiden (zur Verbrennung beiderseits unentbehrlichen) Stoffe[293] hat noch kein sterbliches Auge in reiner Gestalt gesehn. Ersterer macht einen Theil der bisher sogenannten brennbaren Luft, letzterer einen Theil der bisher sogenannten dephlogistisirten Luft aus. Jene ist nämlich wie diese eine schon zusammengesetzte Substanz, so wie die Chemie überhaupt noch keine einfache Substanz durch die Sinnen wahrgenommen hat, und sie sich blos durch Abstraktion abgesondert und rein denkt, so gut sie kann.

Wenn man diese zwei Luftarten unter gewissen Umständen zusammen verbindet, so entsteht (wie man nunmehro weiß) eine Zersetzung derselben in Feuer und Wasser, zwei Substanzen, deren jede wiederum nicht einfach, sondern ebenfalls zusammengesetzt ist.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 293-294.
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