Kantharide

[467] Kantharide, Lytta vesicatoria, Gm. [Degeer, Ins. 1. Tab. 6. Fig. 5.] ein bekanntes goldgrünes Insekt mit schwarzen Fühlhörnern, im Juny und July auf den Eschenbäumen, den verschiednen Arten Lilak, dem Specklilgenzäunling, dem Hundskirschzäunling, dem Rainweidehartriegel u.s.w. zuweilen in großer Menge bei uns anzutreffen, von denen man sie erhält, wenn man sie bei kaltem, trübem Wetter oder vor Sonnenaufgang auf untergebreitete Tücher schüttelt, gläserne Flaschen damit bis oben anfüllt, und diese bis zu ihrer Ertödtung (denn ohne erneuerte Luft können sie nicht leben) fest verstopft, die also getödteten Kanthariden aber auf Sieben im schattigen Luftzuge bei heiterer Witterung völlig trocknet und dann in wohl erwärmten, verstopften Flaschen ungepülvert aufhebt. Sonst verzehrt sie der Ptinus Fur, L.

Alle andre Arten sie zu tödten und zu dörren, vermindern ihre Kräfte, oder sind umständlicher.

Die Kanthariden (spanische Fliegen, Cantharides), haben einen süßlichtekelhaften, betäubenden Geruch, und einen anfänglich unmerklichen, nachgehendes aber fressenden Geschmack.

Nicht Wasser, sondern Weingeist zieht die beizende Schärfe aus (die Kantharidentinktur).

Ihre allgemeine Wirkung, wenn sie entweder in Pulver (auf Pflastern und in Salben) oder als Auflösung aufgelegt oder eingerieben werden, ist, die Haupt zu entzünden, die Oberhaut zu einer mit Serum angefüllten Blase zu erheben, und wenn ihre Anwendung länger, vorzüglich auf hautlosen Stellen fortdauert, einen Reiz, auch wohl Entzündung im Blasenhalse, und Harnzwang zu erregen. Letztere Wirkung bringt vorzüglich[467] der innere Gebrauch der Kanthariden in jeder Form hervor, der deßhalb nur geprüften Aerzten erlaubt werden sollte, da bei Unvorsichtigkeit nicht selten Blutharnen, die heftigsten Entzündungen der Blase und der nahen Theile, ja selbst der Tod erfolgt ist.

Die gebräuchlichste Anwendung ist das Kantharidenpflaster (spanische Fliegenpflaster, Blasenpflaster, empl. vesicatorium), zu dessen Verfertigung das Kantharidenpulver am besten nur oben auf irgend ein klebendes Pflaster gestreut wird.

Zu gleichem Behufe reibt man auch die Kantharidentinktur zuweilen ein. Die Anwendung des Kantharidenpflasters ist, die betäubte Empfindung und Reizbarkeit zu erwecken, eine nahe Entzündung und Schmerz durch stärkern Reiz zu überstimmen, künstliche Geschwüre zu erregen u.s.w.

Die innerliche Anwendung des Kantharidenpulvers und der Tinktur in der Wassersucht, gegen Harnruhr, im Nachtripper von örtlicher Indolenz, in Lähmung des Blasenhalses, gegen Hautkrankheiten u.s.w. erfordert die äußerste Behutsamkeit, und kriminell ist ihr Mißbrauch zur Reizung der Geschlechtstheile.

Bei Dispensation des Pulvers u. der Tinktur verfährt der Apotheker am besten nach dem Artikel Gift, w.s., und ebendaselbst sind die beym Pülvern anzuwendende Vorsichtsregeln erwähnt.

Die Vergiftung damit wird am besten durch (Brechmittel), häufige schleimige und ölige Getränke, ähnliche Klystiere, laue Bäder und große Gaben Kampher gehoben.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 467-468.
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