Kochsalzsäure

[495] Kochsalzsäure (Acidum salis communis, Spiritus salis acidus) ist die Säure aus dem gemeinen Küchensalze, eine der schwächsten und flüchtigsten mineralischen Säuren, welche in gewöhnlichem Zustande wenig Wirkung auf brennbare Substanzen hat, weiße erstickende Dämpfe ausstößt, mit den drei verschiednen Laugensalzen sich entweder zu Digestivsalz, oder zu Kochsalz, oder zu Salmiak vereinigt, und mit einigen Metallen verbunden zu hornartigen Massen schmilzt, andre aber verflüchtigt. Der gewöhnliche Salzgeist (Spiritus salis communis) ist gelb von Farbe, von safranartigem Geruche und mit etwas Eisen, auch wohl Vitriolsäure geschwängert. Mit Unrecht kauft man ihn von Laboranten, die ihn aus Kochsalz mit gemeinem Vitriole gemischt destilliren.

Am sichersten ist es, diese Säure selbst zu destilliren, indem man acht Pfund verknistertes Kochsalz in die beschlagene Retorte eines Destillirgeräthes schüttet, wie oben S. 219 beschrieben ist, und fünf Pfund Vitriolöl mit vier Pfund Wasser allmählig verdünnt, darauf gießt, die tubulirte Vorlage luftdicht ankittet, und anfänglich bei dem gelindesten, zulezt aber bei dem stärksten Glühefeuer die Säure übertreibt. In der Vorlage ist die mit weißem Dampfe rauchende Salzsäure (acidum salis sumans, spiritus salis sumans Glauberi), welche dieses Rauchen und den Antheil Vitriolsäure dadurch verliert und wasserhell und geruchlos wird (acidum salis rectificatum), wenn sie über Einem Pfunde Digestivsalz wieder abgezogen worden.

Mit zehn Pfunden Wasser gemischt, entsteht der reine, schwächere Salzgeist (Spiritus salis communis, dilutus). Etwas Auflösung der salzsauren Schwererde (Barytkochsalz, terra ponderosa salita) eingetröpfelt, zeigt durch weiße Wolken, ob noch Vitriolsäure darin ist.

Die Salzsäure wird in Wasser verdünnt als ein vorzügliches Kühlungsmittel in faulen Fiebern mit großem Erfolge innerlich, so wie in der brandigen Bräune äußerlich verordnet – und dient außerdem zu pharmazeutischen Arbeiten.

Gießt man vier Theile der stärksten reinen Salzsäure auf Einen Theil Braunstein im Destillirgeräthe, so wird bei gehörigem Feuer eine luftförmige, bei starker Kälte krystallisirende Säure (acidum salis dephlogisticatum) mit erstickendem Königswassergeruche übergehen, welche sich zur tropfbaren Säure auflöst, wenn Wasser in der Vorlage vorhanden ist. Sie dient zur Bereitung einiger Arzneimittel.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 495.
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