Myrobalanen

[116] Myrobalanen (Myrobalana, Myrobalanorum quinque species) sind ostindische, fleischicht trockene Früchte, welche einen Kernnuß enthalten, und von den Arabern als Laxirmittel dem Arzneivorrathe aufgedrungen worden sind; mit der größten Unwahrscheinlichkeit werden sie von einem[116] und demselben Baume hergeleitet.

Die Bellirischen (Myrobalana bellirica) haben einen dicken Stiel, eine graubraune Farbe, die Gestalt einer Muskatennuß, und sind fünfkantig. Das herbbitter, hintennach etwas süßlicht schmeckende Fleisch ist bis auf die hellfarbige Kernnuß eine Linie dick. Die Araber nannten sie Belleregi. Der Baum, der sie trägt, soll aschgraulichte, denen des Loorlorbers ähnliche Blätter haben; seine Blüthe hat vermuthlich fünf Staubwege.

Die aschfarbigen (Myrobalana emblica, Arab. Amlegi) sind fast rund, sechskantig, etwas über einen halben Zoll dick, schwärzlicht aschfarbig, und enthalten unter einem zähen schärflichtherben Fleische eine sechseckig dreizellige, leichte, hellfärbige Kernnuß. Doch findet man sie auch in schwärzlichten Stücken. Der hohe Baum, der sie trägt, ist Phyllanthus Emblica. L. [Zorn, pl. med. tab. 347.] mit gefiederten, blüthentragenden Blättern, baumartigem Stengel, und beerartiger Frucht, auf Malabar, Zeylon, u.s.w. einheimisch.

Die großen, schwarzbraunen (Myrobalana Chebula, Arab. Helilegi Kebuli) sind fast birnförmig, fünfribbig, zehnstriefig, und enthalten unter einem runzlichten, äußerlich schwarzbraunen, inwendig dunkelrothen, schleimig herbbittern Fleische eine runzlichte, fächerige Kernnuß. Der drei bis vier Klaftern hohe, vorzüglich in Decan und Bengalen einheimische Baum hat denen des Citronbaums ähnliche Blätter, und weiße, ährenförmige Blüthen: Terminalia Chebula, Retz. mit eiförmigen, nackten, oben mit zwei Drüsen besetzten Blättern, und einfachen Blüthentrauben.

Die gelben (Myrobalana citrina, lutea, flava, Arab. Azasar) sind länglichtrund, birnförmig, fünfviertel Zoll lang und drei Viertel Zoll dick, und enthalten unter einem fünfribbigen, zehnstriefigen, anderthalb Linien dicken, gummichtzähen, herbbittern, Fleische eine eckigrunzlichte Kernnuß. Der vorzüglich um Goa wachsende Baum soll denen des Vogelbeerspierlings ähnliche Blätter haben; seine Blüthe hat vermuthlich fünf (oder zehn) Staubwege.

Die indianischen, (Myrobalana inda, nigra, Damasonia, Arab. Asuar) sind die kleinste Sorte, etwa drei Viertel Zoll lang und einen Viertelzoll dick, schwarz, achtstriefig, vierribbig, tiefrunzlicht, (unreif?) in der Mitte kernlos, hohl, von säuerlich herbem Geschmacke. Der Baum soll weidenähnliche Blätter haben; seine Blüthe hat vermuthlich vier oder acht Staubwege.

Es ist unbegreiflich, wie man diese fünf verschiednen Früchte zusammen als ein einzelnes Arzneimittel gebrauchen konnte, denn man verschrieb sie fast immer zusammen; seltner die großen schwarzbraunen, oder die gelben allein. Auch ist es noch gar nicht ausgemacht, welche unter ihnen laxirende Kräfte haben, und welche nicht. Die aschfarbigen und die indianischen scheinen am wenigsten davon zu besitzen. Man lobt zugleich ihre anstringirende Kraft,[117] welche aber unter ihnen hat hierin den Vorzug?

Man hat sie als eine nicht schwächende Laxanz im Aufgusse angewendet, wo man zugleich stärken wollte, in Bauchflüssen, der Ruhr u.s.w. Im Absude sollen sie wirksamer den Leib eröffnen, roh aber als Pulver und geröstet blos anhalten. Man kann sie entbehren.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 116-118.
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