Myrrhe

[118] Myrrhe (Myrrha) ist ein Gummiharz, welches aus Egypten, dem östlichen Ufer des glücklichen Arabiens und dem Theile von Aethiopien kommt, welches an das rothe Meer stößt von einem der Nilmimose im Aeußern nahe kommenden Baume.

Wir erhalten sie in rundlichen, eckigen, nicht aneinander hängenden Stücken von verschiedner Größe, zuweilen größere als eine Wallnuß, oft kleinere. Sowohl die beste Sorte (Myrrha electa) als die geringe, in Sorten (Myrrha in sortis) besteht aus Stücken von verschiedner Beschaffenheit und Güte. Sie muß daher ausgesucht werden. Die ausgesuchte ächte (Myrrha vera, pinguis, rubra) ist von gleichartig rothbrauner, oder gilblicht braunrother Farbe, ziemlich durchscheinend, von ungleicher Oberfläche, zerbrechlich, hart, leicht, im Bruche ungleich, und ziemlich glänzend, (bei größern Stücken inwendig mit krummlinichten weißlichten Streifen besetzt) nicht schwer zerreiblich, von starkem, gewürzhaft balsamischem, nicht widrigem (angezündet aber, lieblichem) Geruche, und sehr bitterm, doch nicht unangenehmem, erwärmend aromatischem Geschmacke. Am Lichte brennt sie hell, schmelzt aber nicht. Der Weingeist zieht etwa 1/12 Harz heraus, was sich durch Wasser niederschlagen läßt. Die Verbindung mit Wasser ist unvollkommen. Mit Kampher gerieben wird sie zur weichen Masse. Sie löst sich weder in ausgepreßten, noch in ätherischen Oelen auf; vollkommen aber in den versüßten Mineralsäuren, und dem weingeistigen Salmiakgeiste. In der wässerigen Destillation erhält man 1/512 eines nach Fenchel riechenden, sehr bald sich verdickenden ätherischen Oels.

Sie besitzt stärkende, erhitzende, Blutfluß erregende, fäulnißwidrige, traumatische Kräfte und ist heilsam in Magenschwäche und Bleichsucht von schlaffer Faser.

Beim Auslesen verwirft man die schwarzen undurchsichtigen (oder nur betrügerisch durch Einweichung in Branntwein durchscheinend gemachten) schweren, schwerzerbrechlichen aneinander klebenden – ferner diejenigen Stücken, welche einen fremden widrigen Geschmack haben – und endlich diejenigen, welche farblos, durchsichtig und geschmacklos sind, gewöhnlich arabisches oder Kirschgummi. Die eingemischten Stücken Bdellium sind bräunlichgelb, nicht zerbrechlich, sondern zähe und von weit geringerer Bitterkeit; sie knistern an der Flamme und spritzen kleine Theile umher.[118]

Statt der ehemaligen Bereitung der zerflossenen Myrrhe, oder des uneigentlich sogenannten Myrrhenöls (Liquamen Myrrhae, Liquor Myrrhae, Oleum Myrrhae per deliquium) durch Ausfütterung eines hartgekochten Eies (an der Stelle des herausgenommenen Dotters) mit Myrrhenpulver und Aufhängen der beiden zusammengebundnen Hälften über eine Schale in einem Keller, wo die rothe Flüssigkeit nach einiger Zeit herabtröpfelt – läßt man besser das Myrrhenpulver in acht Theilen bis zum Sieden erhitztem Wasser (oder, besser, Biere) auflösen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 118-119.
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