Nespelmispel

[129] Nespelmispel, Mespilus germanica, L. [Zorn, pl. med. tab. 192.] mit lanzetförmigen unten wolligen Blättern und einzelnen (fast) stiellosen Blüthen, ein im mittägigen Europa einheimischer, bei uns gezogner und dann stachelloser Strauch, welcher im Mai und Juny blüht und gegen den Winter seine Früchte (Mespila) zur Vollkommenheit bringt, welche aber hart, herb und ungeniesbar sind, bis sie abgenommen und auf einem trocknen Lager ein Paar Monate aufgehoben eine innere weinichte Gährung erleiden, wodurch sie breiicht weich und von weinsäuerlichem, kräftigem Geschmacke werden.

Man hat sich ihrer ehedem zu Tränken gegen faulichte Durchfälle bedient, wo sie mit Behutsamkeit gebraucht, allerdings kräftig seyn mögen. Das in den harten Mispeln herrschende adstringirende Wesen ist noch nicht chemisch untersucht; es stimmt mit dem der Quitten überein, schlägt das Eisen nicht mit schwarzer Farbe nieder, verwandelt sich bei der Kochhitze in Süßigkeit und kömmt gar nicht mit der Galläpfelsäure überein. Ich würde es Herbsäure nennen. Ihre und der harten darin befindlichen Samenkerne (ossicula mespilorum) gerühmte harntreibende Tugend ist wohl mit eingebildet.

Der Blätter bedient man sich im Absude als eines Hausmittels in der schleimigen Halsgeschwulst zum Gurgeln.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 129.
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