Olivenölbaum

[170] Olivenölbaum, Olea europaea. L. [Zorn, pl. med. tab. 319.] mit lanzetförmigen Blättern, ein wohlgestalteter, immergrüner Baum in Italien, und in Provence und Languedoc in Frankreich, wo er dürren und steinichten Boden liebt und mit weißlichten Trauben blüht.

Seine länglichtrunden Früchte (Oliven, olivae) oder vielmehr Beeren sind der schätzbarste Theil desselben. Sie enthalten innerhalb eines schwammigen herbbittern Fleisches eine harte länglichte Kernnuß, welche einen weißen, süßen Kern umschließt. So ganz, aber noch grün und unreif werden sie nach mehrtägiger Mazeration (ihnen den übeln Geschmack zu nehmen) mit Salz und Gewürzen eingemacht, nach den nördlichern Gegenden zum Gebrauche der Tafel versendet (olivae conditae). Unter diesen haben die kleinsten unter allen, die von Lucca den[170] schwächsten, die aus Spanien, als die größten, den stärksten Geschmack, die von mittlerer Größe aus der Provence aber den lieblichsten, und sind am meisten geschätzt.

Doch besteht der größte Verbrauch der Oliven in Gewinnung des Oeles (Baumöl, oleum olivarum). Man quetscht die eben reifen, nicht überreifen, nicht unreifen Früchte, zu einem Brei und preßt diesen zuerst vor sich ganz gelinde zur Erhaltung des feinsten hellfarbigen, geruch- und geschmacklosen Oels, welches Jungferöl (oleum virgineum) genannt wird. Das nach stärkerer Umdrehung der Presse erhaltene ist zwar eine gute, aber nicht völlig so geschätzte Sorte Baumöl. Die hievon übrigen Tiefstern geben, nach vorgängiger Mischung mit heißem Wasser, bei mehrmaliger starker Auspressung ein trüberes, dunkelfarbigeres Oel, welches man vom Wasser obenab schöpft und als gewöhnliches geringes Baumöl zu Lampen und zur Verfertigung der Seife verkauft.

Letzteres wird sehr bald ranzig, und in dieser Verfassung bekommen wir es übelriechend, grünlicht und dicklicht. Letzteres kann in der Offizin nicht zu innerlichen Arzneien gebraucht werden.

Vielleicht war dieses bei der letzten Auspressung oder von lang aufbewahrten, überreifen oder verdorbnen Oliven erhaltene schlechtere Oel dasjenige, was die Alten oleum omphacinum nannten, nicht aber aus unreifen Oliven gepreßtes, welche kein Oel, sondern nur einen zähen, schleimigen Saft beim Auspressen geben. Wenn dieses trübe Oel der letzten Presse sich beim Aufbewahren allmählich läutert, so setzt es die übelriechenden, zähen Hefen oder Oeldrusen (amurca) ab, welche blos zur Bereitung der Seife anwendbar sind, nicht aber, wie die Alten thaten, bei Hüftweh und Rheumatism aufgelegt werden dürfen.

Was der Apotheker unter dem Namen des weißen Baumöls oder des Provenceröls zum innerlichen Gebrauche giebt, sollte stets von der besten Güte seyn, fast farbe- geschmack- und geruchlos, welches aber nicht seine weiße Farbe, und seinen süßlichen Geschmack, wie oft in Provence geschieht, einer Versetzung mit Blei zu danken hat, folglich keine schwarze Farbe durch Schütteln mit der Weinprobe (w.s.) erhält.

Das beste Oel dieser Gattung ist das von der Abart von Olivenbäumen herrührende, die man Aglandau nennt. Die besten Oliven zu dieser Absicht wachsen um Aix in Provence, im Genuesischen um St. Remo, und in der Gegend des Gardaseees (Gardseeer-Oel). Letzteres zieht man aus der ersten Hand von der Botzner Andreasmesse, das huile fine d'Aix aber über Marseille, und das oglio vergine von Lucca, über Livorno.

Das beste Baumöl hat eine Schwere von 915; es wird dicklich und geliefert bei 10° Reaum. das mit Mohnöl vermischte aber (wie in Frankreich häufig geschieht), gerinnt bei dieser Temperatur nicht, so wie auch das ganz ranzige endlich aufhört, in einer Kälte zu gestehen, die über den Frostpunkt geht.[171]

Das ganz frische Baumöl hat einen Vorzug vor vielen, ja den meisten Oelen, selbst äußerlich, in der Kraft zu schmeidigen und zu lindern, und es sollte daher kein Baumöl zu Wachssalben und ohne Sieden bereiteten, bleifreien Linimenten angewendet werden, was nicht frisch und ohne Ranzigkeit wäre, da das alte ranzige entzündet und reitzet. Zu Präparaten aber, wo das Baumöl mit Blei gekocht und so zu Pflastern bereitet wird, scheint weniger darauf anzukommen.

Man verwendet es übrigens in der Offizin zur Bereitung der mit Gewächssubstanzen aufgegossenen und gekochten Oele, (w.s.) so wie zur Bereitung des Ziegelöls ( Oele, bränzlichte) und zur Bereitung der medizinischen Seife (Sapo medicatus).

Der Arzt braucht es zum Lindern wunder Stellen, zum Einreiben gegen Wassersucht, und zum Auflegen beim Schlangenbiß; innerlich gegen verschluckte Gifte, bei Nierensteinkolik, bei Würmern, u.s.w.

Doch muß man sich erinnern, daß das Baumöl bei fortgesetztem innern Gebrauche unter allen fetten Oelen den Magen vielleicht am meisten schwächt, die Verdauung hindert und die Gedärme erschlafft und zu Brüchen geneigt macht.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 170-172.
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