Sättigungspunkt

[88] Sättigungspunkt (Punctum Saturationis) nennt man denjenigen Zustand der Vermischung einer Säure mit einem Laugensalze, in welchem ein vollkommenes Neutralsalz entsteht, und weder freie Säure, noch freies Laugensalz in der Flüssigkeit hervorsticht. Diesen genauen Sättigungspunkt zu erfahren, gießt man etwas von der zu prüfenden Flüssigkeit in Lakmustinktur (aus gepülvertem Lakmus mit Branntwein abgezogen) und sieht ob die blaue Tinktur sich röthet, zum Zeichen einer vorwaltenden freien Säure. Bleibt sie blau, so gießt man von der zu prüfenden Lauge etwas in Lakmustinktur, die durch Zutröpfelung von so wenig als möglich destillirtem Essige etwas roth gemacht worden ist, und sieht ob die rothe Tinktur sich durch die darunter gegossene Lauge wieder in Blau umändert, zum Zeichen hervorstechenden Laugensalzes. Bleibt aber die erste Tinktur blau und die letztere roth, so ist der Sättigungspunkt getroffen. Doch giebt es einige Neutralsalze, die zu ihrer Krystallform einigen Ueberschuß an Laugensalz bedürfen, z.B. der tartarisirte Weinstein (Potaschweinsteinsalz) und die phosphorsaure Sode, (Sodaphosphorsalz), welche beide eine flüssige gummichte Gestalt behalten und nicht zu Krystallen anschießen, so lange ihre Laugen den vollkommenen Grad der Sättigung und keinen Ueberschuß des alkalischen Grundtheils enthalten.

Der käufliche Borax gehört ebenfalls unter die Neutralsalze mit hevorstechendem laugensalzigem Grundtheile; wird er vollständig mit Boraxsäure gesättigt, so schießt er nicht mehr in Säulen, wie der käufliche, sondern in rhomboidalische Krystallen an, die sich mehr an der Luft halten, wie die des käuflichen, sondern zu Pulver zerfallen. Auf der andern Seite giebt es Neutralsalze, zu deren Wesen überschüssige Säure gehört z.B. der gereinigte Weinstein und der übersaure Vitriolweinstein. Diese Beispiele sind Ausnahmen von genauer Sättigung.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 88.
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