Schneerosegichtstrauch

[163] Schneerosegichtstrauch, Rhododendron Chrysanthum, L. [Zorn, pl. med. tab. 533] mit länglichten, nicht punktirten, oberhalb scharfrauhen, vielribbigen Blättern, unregelmäsiger, radförmiger Blumenkrone und rostbraun wolligen Blüthenknospen, ein auf den höchsten daurischen und siberischen Gebirgen kaum fußhohes, an ihrem Fuße aber an Teichen[163] anderthalb Fuß hohes Sträuchelchen, welches gelblich blüht.

Man bringt die spannenlangen Zweige mit Blättern und Blumenknospen (Hb. Rhododendri) aus Rußland. Der Geschmack der Blätter ist herbe und bitter, der Astspitzen und der Rinde aber mehr zusammenziehend und scharf, mit einem etwas rhabarberartigem Geruche. Der konzentrirte, und in einem wohl verdeckten Gefäße bereitete Absud ist braun von ekelhaftem Geruche und zusammenziehend bitterm und scharfem Geschmacke, und erregt (zuerst gewiß Kälte nebst langsamem Pulse, dann –) Fieberhitze mit großem Durste, Trunkenheit, auch wohl Verstandesverwirrung und eine anhaltend kriebelnde Empfindung in den leidenden Theilen, zuweilen Erbrechen, Beengung der Brust, Brennen und Zusammenziehen in der Kehle, Schweiße, Jucken, Hautausschläge, u.s.w. Man pflegt einen vier und zwanzigstündigen Aufguß von zwei bis vier Quentchen Kraut in neun Unzen fast kochendem Wasser und in wohlbedeckten Geschirren bereiten, und davon täglich ein Paar Mahl zwei Unzen nehmen zu lassen gegen chronischen Rheumatism fixer und herumziehender Art, und gegen schleimige Engbrüstigkeit mit Husten. Dieß scheint aber eine unbestimmte Vorschrift zu seyn, da bei ihrer sorgfältigen Befolgung die Gabe allzu heftig, bei nachläßiger aber unwirksam wird, da durch starkes Kochen die meiste Kraft verfliegt. Dieß scheint zum Theil der Grund der hie und da beobachteten Kraftlosigkeit dieses Mittels zu seyn, wiewohl auch die üble Sammlungsart der Pflanze nach der Blühezeit von den Kosacken, ja selbst der verschiedne Standort des Gewächses das seinige zu dieser Unkräftigkeit beitragen mag.

Des Pulvers der Blätter bedient man sich in Sibirien bei Katarrhen, und daher rührenden Kopfschmerzen als eines Schnupfmittels.

Der gedachten Ungewißheit wegen in Absicht des Standortes und der rechten Sammlungszeit, so wie des anfänglich hohen Preises wegen hat man sich an seiner Stelle auch des Rhododendrum maximum, L. [Zorn, pl. med. tab. 324] mit einblüthigen Stielen und glänzenden, ovalen, stumpfen, ribbigen Blättern, deren scharfer Rand zurückgebogen ist, eines zwanzig Fuß hohen, nicht nur in Sibirien, sondern auch in Nordamerika einheimischen, hochroth blühenden Strauchs, so wie in der Schweitz auch des Rhododendrum ferrugineum, L. [Zorn, pl. med. tab. 200] mit glatten, untenher schabigen Blättern, und trichterförmigen Blumen, eines drei bis vier Fuß langen, niederliegenden Strauchs auf den österreichischen, tyroler und Schweizeralpen, zu bedienen gesucht und, wie man meint, mit ähnlichem Erfolge.

Man würde bei einer so heftigen, durch Kochhitze verlierenden Pflanze weit sicherer handeln, sich der gepülverten Rinde und Blätter in der geistigen Tinktur zu sehr allmählich aufsteigenden Gaben zu bedienen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 163-164.
Lizenz: