Senegaramsel

[205] Senegaramsel, Polygala Senega, L. [Linné, Amoen. acad. II. tab. 2.] mit krautartigem, sehr einfachem, aufrechtem Stengel, ährenförmigen Blumen, und breit lanzettförmigen Blättern, ein in Virginien, Pensylvanien, Maryland, Canada einheimisches, kaum fußhohes Kraut, mit perennirender Wurzel und weißen Blumen, welches bei uns im Freien fortkömmt.

Die Wurzel (Rad. Senegae, Senekae, Polygalae virginianae, Rad. Xinkieu) giebt oben aus ihrem großen unförmlichen Kopfe mehrere Zasern von sich, biegt sich dann in der Dicke eines kleinen Fingers, bis zu der eines Gänsekiels und von etwa sechs Zoll Länge, mit mehrern Gelenkknoten hin und her, auf beiden Seiten mit hie und da unterbrochenen häutigwulstigen, herablaufenden Rändern, und vertieften Querrunzeln besetzt; ihre dicke, mürbe, mit einem aschgrauen Oberhäutchen bekleidete, gelblichte[205] Rinde – der einzig wirksame Theil – enthält in der Mitte einen holzigen, weißen Kern. Der besondre, nicht unangenehme Geruch ist bei der trocknen Wurzel schwach, weit stärker bei der frischen, der Geschmack anfänglich mehlicht, dann erhitzend und säuerlich, welcher zuletzt in einen anhaltend beißenden, Husten erregenden, und den Mund zusammenziehenden übergeht.

In Nordamerika hat sie sich gegen den Biß der Klapperschlange hülfreich erwiesen, selbst gegen die schon weit gediehenen Folgen desselben, wo Schweräthmigkeit, Blutspeien und allgemeine Geschwulst entstanden war. Durch Anleitung dieser besiegten Zufälle hat man ihren Gebrauch auf Lungenentzündungen und Wassersucht übergetragen, und, wie man sagt, mit Glück. Doch mögen viele der damit geheilten Seitenstiche mehr von der unächten Art und nicht rein entzündlich gewesen seyn. Daher ist sie auch in dem, den Europäern so gefährlichen Virginischen Marasin heilsam. In Rheumatismen (welcher Art?) soll sie sich dienlich erwiesen haben. Was man von ihrer Kraft, ohne Rücksicht auf die besondern Krankheitsumstände, das zähe Blut aufzulösen und zu zertheilen, gefabelt hat, schmeckt nach der chemisch-mechanischen Schule.

Man hat 20, 30 und mehr Gran des Pulvers auf einmahl gegeben, und Erbrechen, Schweiß, Purgiren, Harnfluß, auch wohl Speichelfluß darnach erfolgen sehn. Diese Symptomen zeigen, daß eine solche Gabe bei weitem zu heftig ist, und vor der Heftigkeit dieser Zufälle hat man ihre feinern und eigenthümlichern Wirkungen nicht beobachten können, von denen allerdings in der Arzneikunst viel zu erwarten ist. Das Gegenmittel ihrer Heftigkeit sollen kreideerdige Dinge seyn.

Am besten stößt man (zum Aufbewahren) die frisch getrocknete Wurzel mit der hölzernen Keule, so daß die Rinde in Stücken springt, und die holzige Mittelfaser gehen läßt, die man absondert. Die dann feiner gepülverte Rinde hebt man in gläsernen dicht verstopften Flaschen auf. Sonst galt in Holland das Pfund fünf Gulden.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 205-206.
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