Sennetkassie

[207] Sennetkassie, Cassia Senna, L. [Moris hist. pl. II. tab. 24. fig. I. 2.] mit sechspaarigen ziemlich ovalen Blättern, auf drüsenlosen Stielen, ein in Oberägypten ursprünglich einheimisches, vier Fuß hohes, strauchartiges Sommergewächs, welches in den südlichsten Gegenden Europens und Asiens gebauet wird, und gelbe Blumen mit purpurrothen Streifen trägt.

Die Blätter (Folia Sennae) werden nach ihrer Heimath und ihrer Gestalt in mehrere Sorten unterschieden.

Die Alexandrinischen als die geschätztesten (Fol. sennae alexandrinae, auch Senne de la Palte genannt von dem Tribute mit Nahmen Palte, den der Scheik für das Monopol ihres Einkaufs und ihrer Versendung nach Europa an den Großherrn entrichtet) sind länglich oval, etwa einen Viertelzoll breit und nicht völlig einen Zoll lang, endigen sich vorne in eine scharfe Spitze, sind gelblicht grün, fest, sanft anzufühlen, von einem besondern, etwas aromatischen Geruche (der im Aufgusse widrig wird) und einem bitterlich ekelhaften, etwas schleimigen Geschmacke. Sie kommen von Cairo über Marseille, Livorno und Venedig.

Die in der Gegend um Mocha in Arabien gezogenen, sind fast noch einmahl so lang, aber schmäler und spitziger als die Alexandrinischen. Man hält sie für schwächer an Kräften, und für die geringste Sorte.

Die in der Barbarei im Königreiche Tripoli gewonnen werden, sind größer als die Alexandrinischen (denen man sie an Werthe weit nachsetzt) etwas rauh anzufühlen, von blos grüner (nicht gelblichter) Farbe, an der Spitze stumpf und von geringem Geruche.

Die Italienischen, welche aus Italien und Provence kommen, sind breit, an dem Ende stumpf, mit starken Ribben durchzogen, und gleichwohl dünner und zerbrechlicher als die Alexandrinischen, wirken auch um ein Viertel schwächer als leztere und sind von geringerm Geruche, und schwächerm, mehr süßlichtem, als bitterlichem Geschmacke.

Die Italienischen würden, des geringern Werthes ungeachtet, den man auf sie im Handel setzt, dennoch in gewissem Betrachte den Alexandrinischen an die Seite gesetzt werden können, theils wegen des weit geringern Preises, theils weil sie einen weniger übelschmeckenden Aufguß geben, theils auch, weil sie weit geringeres Kneipen erregen sollen; wenn sie nur nicht so häufig mit Blättern andrer Gewächse von ähnlicher Gestalt verfälscht würden. Wählt man sie ja, so müssen sie ganz und unzerbrochen seyn, damit man ihre Gestalt beurtheilen kann; oft sind die Blätter des Sensblasenbaums (w.s.) untergemischt.

Sind aber die Italienischen frisch und unvermischt, die Alexandrinischen hingegen, wie oft, verlegen, so sind erstere zum Arzneigebrauche vorzuziehen.[207]

Die Sensblätter in kleinen Stückchen (Fol. Sennae parva) müssen als eine trügliche Waare vermieden werden, so wie die fleckigen, abgestorbenen, moderigen, mit Staub und Spänen vermischten überhaupt.

Ehedem ließen die Aerzte beim Gebrauche alle Stiele absondern (Fol. Sennae sine stipitibus), weil man ihnen die Leibschmerzen der Sensblätterdekokte zuschrieb. Sie sind aber unschuldig hieran, und man thut unrecht, die eben so kräftigen und eben so milden Stiele wegwerfen zu lassen.

Die Sensblätter lassen bei der Destillation mit Wasser 1/79 ihres Gewichts an dicklichem, ätherischem Oele übergehen, von heftigem Sensblättergeruche und Geschmacke. Auf diesem scheint der größte Theil ihrer abführenden Kräfte zu beruhen. Die ehedem so stark, aber mit Unrecht gebräuchliche Form, die Sensblätter als Dekokt zu verordnen, ist daher aus diesem und andern Gründen verwerflich, theils weil je länger das Sieden fortgesetzt wird, der Absud nun um desto weniger abführt, und größtentheils nur Kneipen erregt, weil das purgirende Oel davon geht, und das gröbere, Kneipen erregende Harz im Dekokte frei läßt, theils weil lezteres nun weit schleimiger und ekelhafter von Geschmacke wird.

Der zehnminütliche Aufguß von zwei bis vier Quentchen fein gepülverten Sensblättern in vier bis sechs Unzen kochend heißem Wasser ist, durch Löschpapier in Leinwand gelegt, filtrirt, allen Dekokten in aller Absicht weit vorzuziehen. Wer nicht weiß, daß ein übler, aber unvermischter Geschmack jedem Kranken lieber ist, und wer überhaupt die edle Einfachheit nicht liebt, mag meinetwegen noch Tamarinden, Zimmt und dergleichen hinzusetzen.

Was die Blätter der Wasserbraunwurzel (wie die Brasilianer, die diese Pflanze Yquetaya nennen, rühmen) zur Verbesserung des Ekelhaften des Sensblätterthees beitragen, ist durch bestätigtere europäische Erfahrungen nicht hinlänglich bekannt geworden, und noch zweifelhaft.

In Pulver giebt man die Sensblätter sehr selten; ich sehe nicht ein, warum?

Ueberhaupt weiß ich nicht, wie eine Pflanzensubstanz, wie die Sensblätter, welche in so großer Gabe, um Wirkung davon zu haben, genommen werden muß, welche viel Hitze erregt, und einen so widrigen Geruch und Geschmack hat, welche von der langsamsten Wirkung ist, und in jeder Form nicht nur Bauchkneipen, sondern auch entweder gleich nach dem Einnehmen, oder doch, wenn die Wirkung beginnt, eine krampfhafte Verschließung der Blähungen, eine Art schmerzhafter Windkolik erregt, als Purgirmittel zu einem so hohen und ausgebreiteten Ruhme hat gelangen können!

Von den Arabern schreibt sich noch der Gebrauch der von den Samen gereinigten Fruchtbälge (Folliculi Sennae) her, der auch neuerlich von den Franzosen wieder aufgebracht worden ist. Man wählt hiezu nicht die geringern tripolitanischen, welche mit[208] schwarzen und braunrothen Flecken besetzt, weniger grün, und kleiner sind, als die alexandrinischen, sondern die leztern. Diese sind länglichte, abgerundete, sichelförmige, flachgedrückte, gelblicht grünliche Hülsen von etwas salzhaftem bitterm Geschmacke und ohne Geruch. Sie sollen schwächer wirken, als die Blätter, und mit weniger Bauchkneipen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 207-209.
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