Skammonienwinde

[222] Skammonienwinde, Convolvulus Scammonium, L. [Zorn, pl. med. tab. 214] mit pfeilförmigen, hinterwärts abgestutzten Blättern, und rundlichen, gewöhnlich dreiblüthigen Blumenstielen, ein vier bis fünf Fuß hohes kletterndes Kraut mit perennirender Wurzel, in der Levante einheimisch, welches in unsern Gärten wohl fortkömmt, und im July röthlich oder blaßgelb blüht.

Man sammelt im Juny den Milchsaft aus der von Erde entblößten, und schief abwärts durchschnittenen Wurzel in einem untergesetzten Geschirre, und läßt ihn von selbst an der Luft eintrocknen zu dem Gummiharze, welches Skammonium genannt wird, wenigstens geschieht dieß mit dem theuersten, Aleppischen (Scammonium de Aleppo, s. Aleppense) welches von den Landleuten umher, besonders bei Marasch, vier Tagereisen von Aleppo, gesammelt wird, und in großen, leichten, schwammichten, löcherigen, doch fest zusammenhängenden, äusserlich etwas aschgrauen und etwas gelblichen, innerlich grauschwärzlichten und glänzenden Massen, von ekelhaftem Geruche, und anfangs unmerklichen, dann einigermasen vitriolartig widrigem, bitterlich beißendem Geschmacke, über Marseille oder London zu uns gebracht wird. Es läßt sich in den Händen leicht zu einem weißgraulichten Pulver zerreiben, hinterläßt bei der Berührung mit nassen Fingern eine weißen Fleck und löset sich in Stückchen zerbröckelt leicht in Wasser zu einer grünlichen Milch auf. Es soll über die Hälfte durch Weingeist ausziehbares Harz enthalten.

Das weit wohlfeilere smyrnische, vermuthlich durch Auspressen dieses und ähnlicher Kräuter bereitete Skammonium (Scammon. de Smyrna) ist weit fester, schwärzer, schwerer und von weit geringerer Güte. Es kömmt aus Kapadocien.

Das Antiochische soll, obgleich die Alten es allen andern vorzogen, der Versicherung nach, jezt doch noch schlechter seyn und einen bränzlichten Geruch haben; und so will man noch eine andre indianische Sorte haben, welche grau, leicht, zart, zerbrechlich und ein künstliches Produkt seyn soll.[222]

Man hat diesem schon sehr alten Purgirmittel in den mittlern Zeiten sehr nachtheilige Wirkungen angedichtet, die wohl mehr vom unrechten Gebrauche am unschicklichen Orte und der allzugroßen Gabe herrührten. Diese suchte man durch allerlei thörichte Vorrichtungen zu bessern. Man lösete es in verschiedenen Fruchtsäften und Dekokten auf, sonderte die überstehende, milchartige Brühe vom Bodensatze ab, und dickte erstere wieder ein (Diagrydium, Diacrydium, oder vielmehr Dacrydion cydoniatum, rosatum, glycyrrhizatum), verließ aber, der feuchtenden Eigenschaft eines solchen Extraktes wegen, diese Methoden.

Man breitete dagegen das fein gestoßene Skammonium über einem Bogen mit Nadeln durchlöchertem Papiere, welches auf einem Haarsiebe lag, aus, hielt etwa eine Viertelstunde lang angezündeten Schwefel darunter, und rührte das Pulver von Zeit zu Zeit um. Dieses geschwefelte Skammonium (Diagrydium, Diacrydium; Dacrydion sulphuratum) hielt man nun für verbessert, und weniger fähig, schlimme Wirkungen zu erregen. Nun sind aber diese spielenden Künsteleien, welche wohl das Mittel unkräftiger machen, ihm aber keine vorzüglichen Eigenschaften mittheilen können, von dem vernünftigern Theile der Aerzte beiseite gesetzt und man hält sich blos an das reine feingepülverte Skammonium, welches mit etwas Zucker oder Mandeln abgerieben, zu drei bis zehn Gran als ein Purgirmittel verordnet wird, doch noch immer ohne bestimmten Zweck, da die Eigenthümlichkeiten dieser Substanz noch gar nicht bekannt sind. Es ist leichtauflöslich im Magen, und der Geschmack ist sehr erträglich.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 222-223.
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