Vitriolweinstein

[368] Vitriolweinstein, (Pottaschvitriolsalz, Tartarus vitriolatus, Alcali vegetabile vitriolatum, Kali vitriolatum, auch wohl aus dem Rückstande von der Scheidewasserdestillation ausgelaugt, arcanum duplicatum, sal de duobus, und panacea holsatica Doppelsalz, Duplikatsalz genannt) ist ein aus Potaschlaugensalz und Vitriolsäure zusammengeseztes Neutralsalz, welches am besten durch freiwillige Abdünstung aus seinen Laugen höchstens zu erbsengroßen Krystallen anschießt, welche gewöhnlich aus zwei mit ihrem Fuße gegen einander stehenden sechsseitigen Pyramiden zusammengesetzt zu seyn scheinen, eigentlich aber mit einem sechsseitigen, sehr kurzen, prismatischen Mittelstücke zwischen beiden, von bitterm Geschmacke. Wenn es vollkommen neutralsalzig ist, braucht es eine große Menge (man sagt, 16 bis 18 Theile) kaltes Wasser, kochendes 4 bis 5 Theile, sticht aber nur die Säure im mindesten hervor, weit weniger Wasser zur Auflösung. Im Glühen zerknistert es und wird bei anhaltendem Glühen, unter Verlust seines Krystallisationswassers, zu einem weißen Pulver; erst im Weißglühen schmilzt es beim heftigsten Feuer. Es soll im krystallinischen Zustande im Hundert, 8 Theile Wasser, 40 Theile Säure und 52 Theile Laugensalz enthalten.

Man machte sonst häufige Anwendung von diesem Salze zum innern Gebrauche, und bedient sich seiner auch noch, aber ohne genau zu wissen, zu welcher Absicht. Der Vitriolweinstein soll, so sagt man, ein dienliches Aperiens seyn (ein Ausdruck, der mir durch seine Vieldeutigkeit unverständlich ist); er soll zu vier bis fünf Quentchen (eine große Gabe von einem widrigen Mittel!) ein gelindes Laxativ abgeben und vorzüglich in Milchversetzungen eins der hülfreichsten Mittel seyn.

Er ist oft unrein, und muß, wo man ihn nicht selbst bereitet, (wie doch seyn sollte!) genau geprüft werden, ehe man ihn zum innern Gebrauche nimmt. Die Auflösung einer Probe davon in destillirtem Wasser darf weder die unvermischte Lakmustinktur röthen, noch die mit möglichst wenig Essig geröthete Lakmustinktur blau färben, und sich weder von eingetröpfeltem Laugensalze trüben, noch von Leberluftwasser färben.

Man erhält ihn als Nebenprodukt vorzüglich bei Niederschlagung der Magnesie aus dem Bittersalze, oder geradezu, wenn in verdünnte[368] Vitriolsäure bis zum Sättigungspunkte (w.s.) Potaschlaugensalzauflösung getröpfelt, die Lauge bis zum Häutchen abgedunstet, durchgeseihet, und an einem warmen Orte mehrere Tage hingestellt wird.

Das Potaschvitriolsalz ist sehr geneigt, sich mit einem Ueberschusse an Vitriolsäure zum krystallinischen, leichter auflöslichen Salze (saurer, übersaurer Vitriolweinstein, Tartarus vitriolatus acidus, s. acidulus) zu verbinden, welches diesen Ueberschuß an Säure, weder vor sich destillirt, noch durch Auflösen im Wasser und Wiederanschießen fahren läßt.

Man verfertigt es entweder, indem man schon fertigen, guten, gepülverten Vitriolweinstein in einem doppelten Gewichte verdünnter Vitriolsäure (Ein Theil starke Säure mit drei Theilen destillirtem Wasser gemischt) im Kochen auflößt, und die Auflösung in der Kälte anschießen läßt, oder indem man zu sieben Theilen starker Vitriolsäure, mit sieben Theilen Wasser verdünnt, in einem hohen Gefäße, vier Theile fein geriebenes Potaschlaugensalz so schnell nach einander hinein trägt, als es das Aufbrausen des heißen Gemisches gestattet, da dann der übersäuerte Vitriolweinstein in schönen, großen Krystallen beim Erkalten anschießt. Er wird dann zweimahl mit ein wenig kaltem Wasser schnell abgespühlt, auf Fließpapier getrocknet und in Gläsern aufgehoben.

Man bedient sich des übersauerten Vitriolweinsteins zur Austreibung der stärksten Essigsäure aus Sodaessigsalz ( unter Essigsäure), aber nicht zur Arznei, ob er gleich in dieser Rücksicht auch Dienste leisten könnte.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 368-369.
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