Wasserfenchelpeersaat

[393] Wasserfenchelpeersaat, Phellandrium aquaticum, L. [Schkuhr, tab. 71] mit ausgespreitzten Blattästen; ein zweijähriges Kraut von oft mehr als drei Fuß Höhe und einem Stengel, welcher unten gewöhnlich einen Zoll, zuweilen aber eines Armes dick ist. Es wächst hie und dort sehr häufig in stehenden Wässern und blüht im Juny.

Das ungemein großblätterige, dreifach gefiederte, fein zertheilte Kraut, welches allen Thieren zuwider ist, und unter den Pferden in Schweden einen epizootischen Halbschlag angerichtet hat (vermuthlich nicht wegen des zuweilen im Stengel nistenden Rüsselkäfers (Curculio paraplecticus, L.), da auch das blose Kraut ohne Stengel den Schafen tödlich ist), hat man in ältern Zeiten seiner harntreibenden und scharbockwidrigen Kräfte wegen gerühmt, in neuern Zeiten aber nicht gebraucht. Am häufigsten hat man sich des Samens (Sem. Phellandrii, Foeniculi aquatici, Cicutariae aquaticae tenuifoliae) bedient, welcher länglicht eiförmig und etwas platt, ziemlich gerade, grünlich-gelb, flachgerieft, im vollkommenen Zustande zwei Linien lang und über eine halbe Linie dick, vorzüglich aber an den auch im trocknen Zustande fest stehenden zwei Staubwegen kenntlich ist, von einem auffallenden Geruche, und ekelhaft aromatischem, lang anhaltendem Geschmacke, welcher in den Geschmack andrer Doldenpflanzensamen einschlägt. Man hat ihn schon im vorigen Jahrhunderte bei Thieren vorzüglich gegen den Rotz, Husten und das Verschlagen der Pferde, so wie auch bei äusserlichen Verletzungen derselben gebraucht, seine Anwendung bei Menschen aber in diesem Jahrhunderte vorzüglich in der Hausmittelpraxis bis zum Aberwitze übertrieben, so daß fast keine Krankheit übrig blieb, in der man ihn nicht empfohlen hätte. Am meisten hat man ihn gerühmt gegen gequetschte und andre Verletzungen, äussere und innere alte, auch fistelartige Geschwüre, selbst gegen geschwürige Lungensucht, Winddorn und Krebs, in Drüsenverhärtungen und andern Geschwülsten, überdem noch in unbestimmten Brustkrankheiten und Asthmen, in unbestimmten Wechselfiebern, in unbestimmten hysterischen und hypochondrischen Zufällen, ja selbst in Darmbrüchen, innerlich zu der ungeheuern Gabe von einem Quentchen, drei bis vier Mahl täglich. Ich sage unbestimmten – denn alle diese Krankheitsnahmen drücken blos im Aeussern ähnliche, dem Wesen nach oft sehr abweichende Krankheiten aus. Im Grunde kennt man die eigenthümliche Wirkungsart dieses gewiß kräftigen Samens fast noch gar nicht. Das einzige ist, daß man sahe, er bringe in[393] allzu großer Gabe lästige Schwere des Kopfs, eine Art Trunkenheit, und Schwindel zuwege. Ich sahe Blutspeien und hie und da herum ziehende rheumatische Schmerzen davon entstehen und längere Zeit einen trocknen Abendhusten davon zurückbleiben. Die stärksten Gaben, die ich von frischem Samen nöthig fand, waren sechs bis sieben Gran des feinen Pulvers täglich zweimahl.

Er giebt in der wässerigen Destillation ein blaßgelbes, heftig riechendes, durchdringendes und sehr wirksames ätherisches Oel.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 393-394.
Lizenz: