Wermuthbeifuß

[436] Wermuthbeifuß, Artemisia Absinthium, L. [Zorn, pl. med. tab. 34] mit zusammengesetzten, vielspaltigen Blättern, rundlichen, überhängenden Blumen, und rauchhaarigen Blumenboden; ein auf wüsten Stellen in etwas sandigem Boden und an Wegen wohnendes, oft über zwei und drei Fuß hohes Kraut mit perennirender Wurzel, welches im July und August blüht.

Das feinhaarige Kraut (Hb. Absinthii, vulgaris) ist von starkem, widrigem, Kopf einnehmendem[436] Geruche, und widrig und heftig bitterm Geschmacke. Dieses Kraut verstärkt die Thätigkeit der Schlagadern, und bringt zuweilen Schweiß hervor; es hemmt die Essig- und Fäulnißgährung, und ist ein ziemlich gutes Wurmmittel, welches auch ausser dem Körper die meisten Insekten theils vertreibet, theils tödet, und daher einige Hautausschläge durch äussern Gebrauch wirksam heilet. Wegen seines widrigen Geruchs und Geschmacks hebt es einige Arten von Anorexie vorzüglich durch gährende Dinge und Obst erzeugt, und Neigungen zum Erbrechen bei einigen bösartigen Fiebern und der Seekrankheit. Eben so rühmt man seine Kräfte in dreitägigen Fiebern und kalten Blähungskoliken. Man hat einige Fälle von seiner Dienlichkeit in der Wassersucht, und hat es im Scharbock, in Bleichsucht, in Leberverstopfungen, Gelbsucht und, Gott weiß, in welchen Kachexien allen, vorgeschlagen, wo aber gegründete Erfahrungen fehlen. Ob man ihm gleich Heilkräfte in der Eklampsie neugeborner Kinder und in den Lähmung (auch in der Taubheit) zutraut, so warnt man doch vor seinem Gebrauche bei den sehr verwandten Uebeln der Fallsucht und dem Schlagflusse, so wie überhaupt (mit Grunde) vor seiner Anwendung in allen Krankheiten mit straffer Faser, großer Lebensthätigkeit und rein entzündlichen Zuständen. So wie es selbst Trunkenheit und Kopfweh erzeugt, rühmt man ihm die Tugend nach, die Trunkenheit von sauern Weinen zu heben und den Schlaf in gewissen Fällen zu befördern. Was es gegen übergroße Fettigkeit, gegen Blasenstein und Podagra ausrichte, ist noch zweifelhaft.

Indessen sind diese Angaben doch noch ziemlich unbestimmt, und dieses mächtige Kraut erwartet noch einen Beobachter, der dem speziellen Gange seiner eigenthümlichen Wirkungsart sorgfältiger nachspürt.

Man erhält in der wässerigen Destillation aus dem Kraute ein grünes, aus dem trocknen ein gelbbraunes ätherisches Oel (ol. ess. absinthii) aus dem trocknen 1/256 bis 1/64 an Gewichte, welches die ganzen betäubenden, und antispasmodischen Kräfte des Krautes, wenig oder gar nichts aber von seiner Bitterkeit enthält. Es wird, in Weingeist aufgelöst als ein Schmerz stillendes, Schlaf bringendes, und Erbrechen und Krämpfe stillendes Mittel gerühmt.

Das aus seiner Asche gezogene Laugensalz (Wermuthsalz, Sal absinthii) hat offenbar keine andern als die Eigenschaften und Kräfte der Potasche, daher sein Ruhm in Krankheiten von Schleim, Nachwehen der Wechselfieber, Wassersucht, Bleichsucht, u.s.w. Die im Aufbrausen genommene Mischung von einem Skrupel Wermuthsalz und einem Eßlöffel Zitronsaft (Haustus salinus, Mixtura, Potio Riverii) stillt zuweilen Anfälle von Asihma, Erbrechen in bösartigen Fiebern, in der Cholera, in Schwangerschaften, u.s.w. so wie andre hysterische Krämpfe und Blutaufwallungen bei Nervensiechen vermöge der daraus sich im Magen entwickelnden Luftsäure. Der Arzt thut wohl, statt[437] des Wermuthsalzes stets gereinigtes Potaschlaugensalz zu wählen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 436-438.
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