Wurmsamen 2

[461] Wurmsamen (Semen Cinae, Zinae, Sinae, Semen sanctum, Semen Santonici, s. Lumbricorum, Semen contra vermes, Semen Contra, Sementina, und, wegen des ähnlichen Geruchs der Zitwerwurzel, wiewohl uneigentlich Sem. Zedoariae) besteht aus kleinen, leichten, länglichten, bräunlichgrünen oder gelbgrünen Blumenköpfchen mit Blumenkelchschuppen daran, mit dünnen Stielchen, und[461] Spreublättchen vermischt, von starkem, duftendem, ziemlich widrigen, balsamischem Geruche dem des Traubengänsefußes ähnlich, und von einem mit dem Geruche übereinstimmenden, lang anhaltenden, sehr bittern, hitzigen, gewürzhaften Geschmacke, der bei dem Kauen nach der Hitze auf der Zunge eine Art von Kälteempfindung zurückläßt. Wir bekommen ihn über Natolien, wie man sagt, aus der Mongolei und Persien, von einer bis jetzt noch unbestimmten Pflanze, die im Aeussern viel Aehnlichkeit mit dem Stabwurzbeifuß haben soll. Ehedem hielt man sie für die Artemisia judaica, L. [Zorn, pl. med. tab. 367] mit umgekehrt ovalen, stampfen, gelappten, kleinen Blättern, und rispenförmigen, gestielten Blüthen; in neuern Zeiten aber hat man übereinstimmender theils die Artemisia Contra, L. [vermuthlich Artemisia austriaca Jacquin, Austr. 1. tab. 100] mit handförmigen, gleichbreiten, sehr kleinen Blättern und Blüthentrauben mit ungestielten Blumen, theils auch die Artemisia Santonicum, L. [Zorn, pl. med. tab. 240] am Stengel mit gleichbreiten, gefiedert vielspaltigen, an den Aesten mit ungetheilten Blättern, und zurückgebogenen Aehren mit Blüthen an der einen Seite, deren jede aus fünf kleinern Blüthchen zusammengesetzt ist, dafür gehalten. Wie dem auch sei, so hat man doch in den neuesten Zeiten die Mutterpflanze des Wurmsamens unter das Gänsenfußgeschlecht verwiesen.

Am dienlichsten ist es, den grob gepülverten Samen in Substanz unter Honig oder einen Sirup gerührt, den Kindern gegen Spuhlwürmer einzugeben, oder das mit Weingeist bereitete Extrakt in Pillen. Die Tinktur und der Aufguß greifen nur allzu unmittelbar das Nervensystem des Kranken an, ohne sonderlich die Würmer zu bekämpfen. Es ist nicht zu leugnen, daß der gute Wurmsamen eins der gewissesten Tödungsmittel der Spuhlwürmer ist, die Erfahrung aller Zeiten bekräftigt dieß; aber eben so wenig ist es zu leugnen, daß eine Menge Kinder, denen (muthmaslich gegen Würmer) Wurmsamen in großer Menge eingegeben worden, unter Zufällen gestorben sind, die vom Empiriker auf Rechnung der bösen Würmer geschrieben wurden, die aber eigentlich der Uebermenge des Wurmsamens eigenthümliche Symptome waren. Das Kind wird etwa 3 bis 4 Stunden nach dem Einnehmen sehr ängstlich, verlangt eine Menge Dinge unter ein ander, sein Gesicht wird blaß und kalt, es jammert über Leibschmerzen, ist schlaflos, bekömmt großen Durst, heftigen Husten, sehr kurzen, stockenden Athem, kalter Schweiß bedeckt Hände und Gesicht, es wirft sich umher, fällt in Zuckungen u.s.w. Dieß ist der Erfolg einer übergroßen Gabe selbst bei gesunden Kindern. Bei Mädchen erfolgt oft Blutfluß aus der Bärmutter. Man giebt vier und mehrjährigen Kindern 10, 15, 20 Gran Pulver auf die (zuweilen mehrmahl täglich, wiederholte) Gabe, größern Personen bis zum Quentchen;[462] man sehe zu, ob diese Gaben nicht zu heftig sind, vorzüglich wenn kein starkes Purgirmittel (das nebst den Würmern auch das Wurmmittel wieder ausführt) zugleich gegeben wird. Seine angeblichen Magen stärkenden und Monatzeit herstellenden Kräfte sind einer noch schärfern Prüfung zu unterwerfen.

Man unterscheidet im Handel den aleppischen als den besten, reinsten, und am wenigsten mit Spreu vermischten, dann folgt der orientalische oder indianische, welcher kleine Blümchen haben soll, und zulezt der barbarische oder afrikanische als der geringste, mit vielen Stengeln und Stielen vermischte. Den schwach riechenden, mit Sand und andern Unreinigkeiten vermischten, in Klumpen zusammenhängenden, staubigen, muß man verwerfen.

So hat man sich auch vor der Vermischung mit dem unkräftigen Samen des Stabwurzbeifuß welcher gilblich, leicht, und mehr von spreuähnlichem Ansehn ist, mit dem Samen der Rainfahrrevierblume, der Zypreßsantoline, und der Sophienrauke zu hüten.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 461-463.
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