Ziege

[473] Ziege, Capra Hircus, L. mit gebogenen, scharf gerandeten Hörnern; ein bekanntes, vermuthlich von den indianischen Gebirgen abstammendes Hausthier, welches, seltener ohne Hörner, trockne Gebirgsweiden, Flechten, und das Laub an den Astspitzen der Bäume liebt und ihre Rinde zernagt, wenig Anhänglichkeit an Menschen zeigt, lebhaft[473] streitbar, geil und übermüthig, leicht des gewohnten Futters überdrüßig, im Sprunge läuft, die Kälte scheut, fünf Monate trächtig geht, ein bis zwei, selten mehrere Junge wirft und zehn bis zwölf Jahre lebt.

Der gemeine Mann nahm ehedem das getrocknete und gepülverte Bocksblut (Sanguis Hirci) als ein Zertheilungsmittel des stockenden Blutes noch Quetschungen, Fallen, Stoßen, auch im Seitenstiche und als ein Schweißtreibendes Mittel (vergeblich) ein. Bei Ruhren, und im Stuhlzwange hat man den weißen, harten Bockstalg (Sevum Hircinum) in Brühen (schädlicherweise) eingegeben und bei leichten Verwundungen denselben aufgelegt.

Die Ziegenmilch (Lac caprillum), von der man sich von jeder wichtige Dienste in Ernährung ausgezehrter und abgemergelter Personen versprochen hat, fast als einzige Nahrung noch warm und frisch gemolken, genossen, enthält in zwei Pfunden eine Unze Rahm (welcher drei Quentchen Butter giebt), drei Unzen, und drei Quentchen Käse und sechs Quentchen festen Gehalt der Molken. Sie besitzt folglich mehr Käse und weniger Wasser und Fett als die Menschenmilch und giebt daher eine konsistentere Nahrung, ob sie gleich in einigen Fällen nicht so leicht verdaulich als leztere seyn möchte. Die opalfarbnen, etwas barsch und süß, überhaupt aber angenehm schmeckenden, durch Laab von Kälbermagen ( Laab) aus dieser Milch bereiteten Molken (Serum caprillum) haben als negatives Nahrungsmittel zu Kräfte herabstimmenden Diät bei Uebernährung, Straffheit der Faser, allzu großer Gerinnbarkeit und Menge des faserichten Theils des Bluts und Neigung zu reinen Entzündungen entschiedenen großen Werth; sie aber als empirische Frühlingskur mit Mittelsalzen versetzt, Personen von anderer Körperbeschaffenheit, oder gleichsam nur zur Mode trinken zu lassen, hat schon viel gesunde Personen krank, oder kranke kränker gemacht und verdient Rüge.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 473-474.
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