Zitronmelisse

[486] Zitronmelisse, Melissa officinalis, L. [Zorn, pl. med. tab. 134] mit wirtelförmigen Blumentrauben auf einfachen Stielchen, welche aus den Blattwinkeln hervorkommen; ein auf Bergen im südlichen Europa, auch in der Schweiz und bei Genf einheimisches, auf zwei Fuß hohes Kraut mit mehrjähriger Wurzel, welches in unsern Gärten im July bis August weiß und blaßröthlich blüht.

Das Kraut oder vielmehr die noch nicht blühenden Nebenschößlinge mit ihren herzförmigen, wenig behaarten Blättern (Hb. Melissae citrinae, s. citratae, s. hortensis, Citraginis, Citronellae) haben frisch einen angenehmen, fast zitronschalähnlichen Geruch und einen schwachen, etwas barschen, und aromatischen Geschmack. Frisch getrocknet kommt ihr Geschmack und Geruch hiemit überein; durch nachlässige Aufbewahrung verliert es viel. Im Blühen und Verblühen darf die Pflanze nicht gesammelt werden; dann ist der Geruch widrig. Ob sie gleich zu dieser Zeit mehr wesentliches Oel in der wässerigen Destillation giebt, so ist es doch weit unangenehmer, als das von der noch nicht blühenden (frischen) Pflanze, welche 1/1020 eines hellfarbigen ätherischen Oels (Ol. dest. Melissae citratae) liefern soll, an dessen Stelle man aber nicht selten das von Moldauerdrachenkopf (w.s.) und der Scharfstengelmonarde (w.s.) destillirte, oder auch das Oel von Kameelheumannsbart (w.s.) erhält.

Die Alten haben viel Abgötterei mit dieser Pflanze getrieben und den Aufguß davon, so wie das wesentliche Oel in einer ungeheuern Menge Krankheiten gerühmt, vorzüglich in sogenannten Nervenschwäche, in Schlagfluß, Fallsucht, Schwindel, Lähmung, Hypochondrie, Herzklopfen, Melancholie und Bleichsucht. Auch heut zu Tage bedient man sich desselben noch empirisch, ohne seine eigenthümliche Wirkungsart ins Licht gesetzt zu haben.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 486.
Lizenz: