§. [168] 100.

Bei Erforschung des Symptomen-Inbegriffs der epidemischen Seuchen und sporadischen Krankheiten ist es sehr gleichgültig, ob schon ehedem etwas Aehnliches unter diesem oder jenem Namen in der Welt vorgekommen sey. Die Neuheit oder Besonderheit einer solchen Seuche macht keinen Unterschied weder in ihrer Untersuchung, noch Heilung, da der Arzt ohnehin das reine Bild jeder gegenwärtig herrschenden Krankheit als neu und unbekannt[168] voraussetzen und es, vom Grunde aus, für sich erforschen muss, wenn er ein ächter, gründlicher Heilkünstler seyn will, der nie Vermuthung an die Stelle der Wahrnehmung setzen, nie einen ihm angetragenen Krankheitsfall weder ganz, noch zum Theile für bekannt annehmen darf, ohne ihn sorgfältig nach allen seinen Aeusserungen auszuspähen, und diess hier um so mehr, da jede herrschende Seuche in vieler Hinsicht eine Erscheinung eigner Art ist und sehr abweichend von allen ehemaligen, fälschlich mit gewissen Namen belegten Seuchen bei genauer Untersuchung befunden wird; – wenn man die Epidemien von sich gleich bleibendem Ansteckungszunder, die Menschenpocken, die Masern u.s.w. ausnimmt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 168-169.
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