[336] Silber.

[336] Dieses Metall ist in seiner gediegenen Gestalt, als Blattsilber (Argentum foliatum) aus der angeblichen, durch Theorie erträumten Unmöglichkeit, in unsern Säften aufgelöst werden zu können, für eben so kraftlos von den Arzneimittellehrern ausgegeben worden, als das Gold (w.s.).

Anfangs liess ich mich ebenfalls durch diese dreisten Behauptungen von seinem arzneilichen Gebrauche abhalten, und wendete daher bloss die salpetersaure Silberauflösung (in einer quintillionfachen Verdünnung zu Einem Tropfen) an, wo ich denn auch Gelegenheit hatte, die wenigen voranstehenden Symptome davon zu beobachten.

Aber, trotz allem Widerspruche der erfahrungslosen Theoretiker, welche den Magen immer noch wie eine Koch- oder doch Digerir-Maschine ansehen, Magensaft enthaltend, der, nach ihren Proben in den Gefässen des Laboratoriums, weder metallisches Gold noch Silber auflösen könne, und keine Einwirkung der Arzneien auf uns für möglich halten, als wenn sie im Magen lege artis erst chemisch aufgelöset, dann aber methodice in unsre umlaufende Blutmasse eingesaugt und übergegangen sind, konnte[337] ich doch nicht umhin, durch die beim Golde angeführten Gründe bewogen, auch das feine (sechszehnlöthige) Silber bloss in metallischer Gestalt anzuwenden, in Versuchen mit Blatt-Silber am gesunden menschlichen Körper, nachdem ich es mit hundert Theilen Milchzucker zum feinsten Pulver gerieben hatte, eine Stunde lang.

Schon die wenigen davon beobachteten, hier unten folgenden Symptome reichen dem homöopathischen Arzte am Silber, in dieser Gestalt, ein Werkzeug zur Hülfe in vielen ähnlichen Krankheitszuständen dar, welche durch kein andres Arzneimittel Heilung finden können, und bei welchen den gemeinen Arzt seine ganze Therapie und Klinik und das dickste Recepttaschenbuch im Stiche lassen.

Doch habe ich, nach der Hand, gefunden, dass zum homöopathischen Gebrauche eine abermal hundertfache Verdünnung, das ist, ein Gran Pulver, was 1/10000 Silber enthielt, eine noch allzu starke Gabe sey.

Unwahrscheinlich ist der empirische Ruhm des salpetersauern Silbers in der gewöhnlichen Art Fallsucht, und scheint nur daher entstanden zu seyn, dass in einigen Abarten von Convulsionen, wo Kupfer angezeigt ist, kupferartiges Silbersalz angewendet worden war; denn dass feines Silber, wie das Blatt-Silber ist, der schlimmsten und gewöhnlichsten Art Fallsucht Gnüge leisten sollte, davon besagen die bereits von ihm entdeckten Ur-Symptome noch nichts.

R. Boyle's sogenannte wasserabführende Pillen, welche salpetersaures Silber enthalten, und von Boerhave so sehr gerühmt wurden, sind ihrer Bestimmung ganz unangemessen, nicht nur der gefährlichen Grösse ihrer Gaben wegen, sondern auch, weil das Silber, wie folgende Symptome von ihm bezeugen, nur in der Erstwirkung die Harnabsonderung[338] vermehren (also das Gegentheil der verminderten Harnabsonderung in Geschwulstkrankheiten), worauf mittels der darauf erfolgenden Gegenwirkung des Lebens, als der dauerhaften Nachwirkung, das Gegentheil des zu erreichenden Zwecks, ein desto mehr verminderter Harnabgang, erfolgen muss; ein wahres antipathisches, für diesen Fall verderbliches Verfahren.

So schädliche Fehltritte mussten bisher die gewöhnlichen Aerzte thun, weil sie die Erstwirkungen der Arzneien nicht kannten und keinen Weg wussten, sie kennen zu lernen, auch diesen Weg zu finden, sich nicht bemühten; ja sie hatten seit drittehalb tausend Jahren nicht einmal eine Ahnung von Erstwirkung und Nachwirkung, und wussten nicht, dass die menschliche Natur gerade das Gegentheil von der Erstwirkung der Arzneien, als Nachwirkung, als dauerhaft bleibenden Zustand hervorbringt, und dass folglich alle dauerhafte Heilung so bewerkstelligt werden müsse, dass die Arzneien, welche gewiss heilen sollen, in der Erstwirkung das Aehnliche vom gegenwärtigen Krankheitszustande zu erregen im Stande seyn müssen, um von der Gegenwirkung des Organism's das Gegentheil der arzneilichen Erstwirkung (und der ihr ähnlichen Krankheit), das ist, Vertilgung und Umänderung der fehlerhaften Gefühle und Thätigkeiten in Gesundheit erwarten zu können.

In unserm Falle würden gerade im Gegentheile einige Arten Diabetes mit Silber homöopathisch, das ist, dauerhaft geheilt werden können, wenn die übrigen Symptome der Krankheit auch in den übrigen Erstwirkungen des Silbers ihr Aehnliches antreffen.[339]

Silberauflösung, salpetersaure.

(Es nahm den Kopf ein, als wenn der Fallsucht-Anfall kommen wollte.)

(Vorgefühl des kommenden Anfalls.)

Gesicht-Verdunkelung mit Aengstlichkeit, Gesichtshitze und thränenden Augen.

Gefühl, als wenn der Gaumenvorhang geschwollen wäre, nicht für sich, sondern bei Bewegung der Zunge und beim Schlingen.

5. Gefühl in allen Gliedern, als wenn sie einschlafen und erstarren wollten.

Mattigkeit, Nachmittags.

Starker Nachtschweiss.

Aengstlichkeit, die zum Geschwindgehen zwingt.

Beobachtungen Andrer.

Schwindel mit gänzlicher, aber überhingehender Blindheit (Thom. Hull, im phys. med. Journale, 1800. Jul. S. 518., auch in Duncan's Annals of Med. V. 1801.).

Lockeres, leicht blutendes Zahnfleisch, was jedoch nicht schmerzhaft und nicht geschwollen war (Moodie, in med. and phys. Journal. 1804.).

Uebelseyn, Schwere und Druck im Magen (Hull, a.a.O.).

Brennende Hitze im Magen (Kinglake, in London medical and phys. Journal. 1801.).

(5) Brennen im Magen und auf der Brust (Moodie, a.a.O.).

Die Harnwerkzeuge werden Anfangs stark gereizt (a.a.O.).

Unangenehme Verstopfung im obern Theile der Nase, drei Tage lang (Hull, a.a.O.).

Ausleerung aus der Nase, wie weisser Eiter, mit Blutklumpen gemischt (Hull, a.a.O.).[340]

Quelle:
Samuel Hahnemann: Reine Arzneimittellehre. Bd. 4, Dresden, Leipzig 21825, S. 336-341.
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