XXI. Ein Erlebniß bei Ernst Moritz Arndt.

[245] Arndt ist ein Mann, welchen ich sehr hochachte, und der sich mir auch stets freundlich erwiesen hat. Dennoch bin ich niemals dazu gelangt, mich ihm so zu erschließen wie ich öfter den Drang dazu in mir fühlte, selbst bei einem längeren Aufenthalte in seinem Hause nicht. Ich glaube, den Grund darin zu finden, daß er nur ein Organ für kräftige, fast heroische weibliche Naturen hat. Die übrigen Frauen stehn in seiner Meinung zu tief unter den Männern. Sie sind ihm Alle Blumen und Kinder. –

Auf meiner Rückreise aus Italien gewährte er mir im Juli und August 1819 einen gastlichen Anfenthalt in seinem Hause in Bonn. Seine Frau, eine Schwester Schleiermachers, war schon vor ihrer Verheirathung meine Freundin. Sie war, als ich im Juli in Bonn ankam, erst seit Kurzem von ihrem ältesten Sohne entbunden. Wenige Tage nach meiner Ankunft, am 14. Juli, Morgens gegen 6 Uhr ward an die Thür meines Schlafzimmers gepocht. Ich schrieb ein so frühes Klopfen einem Irrthum in Betreff des Zimmers zu, und öffnete nicht. Nach einiger Zeit jedoch hörte ich ungewöhnliches Geräusch auf dem Corridor,[246] und als ich nun öffnete, fand ich diesen von Polizeibeamten und Gensd'armen besetzt. An's Fenster tretend, sah ich andere dieser Herren vor dem Hause aufgestellt. Bald ließ mich Frau Arndt wissen, daß die Papiere ihres Mannes durchsucht würden. –

Mittlerweile war das Ereigniß in der Stadt ruchtbar geworden. Studenten versammelten sich vor dem Hause. Einer von ihnen, welchem es gelungen war in das Haus einzudringen, ein junger Mann aus Frankfurt a.M., trat in mein Zimmer, und theilte mir seine Absicht mit, die vor dem Hause befindlichen Studenten einzulassen, worauf man dann Untersuchung und Beschlagnahme der Papiere verhindern, und die Letzteren, wenn möglich, in dem Tumulte über Seite schaffen wolle. Da er meine Ansicht über diesen Plan zu wünschen schien, so nahm ich nicht Anstand, ihm mit allem Ernst und aller Bestimmtheit zu erklären, daß er ein solch unüberlegtes ja tollkühnes Beginnen unbedingt zu unterlassen habe. Nächst der Gefahr, welches es den Studirenden selbst brächte, mußte es auch Arndt und seiner Sache nothwendig schaden.

Ich sah zu meiner Befriedigung auch bald darauf die Studenten auf Bänken, welche dem Hause gegenüberstanden, Platz nehmen, und den Ausgang der Sache ruhig abwarten. – Nicht lange nachher sah ich Arndts Papiere, in eine Anzahl großer Säcke mindestens von der Höhe von Mehlsäcken gepackt, aus dem Hause bringen, und in eine Chaise, welche zu diesem Behuf auf der Straße hielt, legen, welche dann mit ihnen abfuhr.

Bald klärte sich auch das frühere Klopfen an meiner Thür auf, die Frau des Professors Welcker, des Juristen,[247] bei welchem man mit den Durchsuchungen angefangen hatte, hatte einen Boten abgeschickt, welcher mich wecken, und mich von den Vorgängen in ihrem Hause unterrichten sollte, damit ich Arndt warnte. Dies war nun zwar vereitelt worden, doch würde eine Benachrichtigung an Arndt auch schwerlich irgend etwas in der Sache geändert haben. Er hätte sich ohne Zweifel dadurch nicht zu irgend einem Schritte veranlaßt gefunden.

Arndts Haltung nach diesem Vorfalle, wie ernst sie auch war, verrieth keine Bestürzung. Aber seine große innere Aufregung äußerte sich dadurch, daß er Nachts so heftig perorirte, daß ich in meinem Schlafzimmer, welches neben dem Seinen war, öfter dadurch aus dem Schlafe geweckt wurde. –[248]

Quelle:
Herz, Henriette: Ihr Leben und ihre Erinnerungen.Berlin 1850, S. 245-249.
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