Geschwätzigkeit, Plauderhaftigkeit.

[82] Sie glauben ihre Zunge nicht genug bewegen zu können, einer Mühle gleich plaudert und plappert ohne Aufhören der reizende Mund stundenlang, ohne daß die Schöne bedenkt, wie ärgerlich es dem Zuhörer ist, gewöhnliche Begebenheiten oder geistlose,[82] wohl gar den Ruf des Nächsten durchhechelnde (ein treffender Ausdruck!) Bemerkungen anhören zu müssen.

Die so allgemein beliebten Theegesellschaften unter Damen sind wahre Bildungsschulen für die Untugend der Geschwätzigkeit; in diesen öffnen sich die Herzen und Lippen ohne Scheu, die Begebenheiten seit gestern (es mag nun Merkwürdiges geschehen seyn oder nicht – die Geschwätzige findet immer Stoff) werden mit liebenswürdiger Ausführlichkeit mitgetheilt, der Kopfputz oder die Schuhe etc. dieser oder jener Dame mit Weisheit geprüft, getadelt und ihr Geschmack einstimmig in den Himmel gehoben oder total verworfen.

Ueber die letzte Oper läßt sich seht viel sagen – wie schön oder häßlich war die A., was für ein superbes Kleid trug die B., wie geschmackvoll war C. constumirt!! Den Gesang, die Musik hat man überhört,[83] weil man sich wenn auch überlaut doch sehr geistreich von dem letzten Ball unterhielt, dafür aber, welche unerhörte Frechheit! von einem zischenden Munde im Parterre zur Ruhe gewiesen wurde. –

Ueberhaupt hat vor einem geschwätzigen Frauenzimmer Niemand Ruhe, alles, die geringsten Kleinigkeiten werden mit einer Weitschweifigkeit behandelt, welche, wenn sie vorsetzlich und nicht aus leidiger Gewohnheit gehandhabt würde, Erstaunen erregen müßte; so aber ermüdet sie nur den vernünftigen Hörer, und was das Aergerlichste ist, er muß aus Artigkeit Theilnahme zeigen, obgleich er davon laufen mögte vor Verdruß und Langeweile.

Ein Gegenmittel, welches radikal hilft, kenne ich nicht, denn dem Waldstrome läßt sich selten ein Damm entgegen setzen – noch viel weniger dem Flusse einer geschwätzigen Zunge. Es mag gesagt werden, was[84] da will, die Geschwätzige weiß es unfehlbar besser, sie hat die Nachrichten aus der ersten Hand, sie ist selbst zufällig dabei gewesen, sie weiß es am besten zu erzählen. Wer dabei die Geduld nicht verliert, er ist zu loben!

Wie manchmal wünschen die Männer schöne Lippen zu versiegeln, über die der Wortschwall unaufhaltsam niedersprudelt, jedes Geheimniß fortspühlend, das nur so lange ein Talismann blieb als es in des Mannes Brust verschlossen war – wie bereuet er, es einem Weibe mitgetheilt zu haben!

Die Schwatzhaftigkeit ists, die gewöhnlich den süßen Reiz zerstört, welcher im traulichen, besonnenen Gespräche so mächtig auf die Seele des Mannes wirkt; die Schwatzhaftigkeit ist es, welche die Knospe weiblicher Anmuth entblättert, und das geliebte Mädchen von der idealen Höhe, zu[85] der es die Phantasie des Jünglings erhoben, herniederzieht in den Staub des prosaischen Alltagslebens.

Der Gesichtskreis des schönen Geschlechts erstreckt sich nicht weit über das Gebiet der Gefühle, was jenseits liegt – das Reich des ernsten Verstandes, der reiflichen Prüfung – gehört ausschließlich dem Manne. Nur Wenigen ist es gegeben, in Worten ihre Gefühle so zu versinnlichen, daß diese mit Grazie aus Licht treten, und da mit dem Bedürfnisse der Mittheilung auch das Bewußtseyn, nicht gerade der Herzensleere, aber des Mangels an Vermögen, Ahnungen und Gefühle in Worte umzuprägen, zunimmt, so verirrt sich das Weib gar leicht über die Gränze, die ihm von der Natur gezogen wurde.

Ist die Schöne bescheiden genug, nicht ausschließlich die Verständige (i.e. Superkluge) spielen zu wollen, so hascht sie blindlings[86] nach Erscheinungen aus dem täglichen Leben. Muß ein Mund, der stundenlang von Putz und Küche declamirt; eine Klatschmühle, auf welcher der gute Ruf aller Bekannten zu einem Futter für die Langeweile zermahlen wird, nicht widerlich häßlich werden? besonders ein sonst schöner Mund mit frischen, küssigen Lippen, muß er nicht allen Reitz verlieren?

Auch die Eitelkeit ist häufig ein Förderungsmittel der unter dem weiblichen Geschlechte so gewöhnlichen Schwatzhaftigkeit. Hat ein Schmeichler den Ton von Mollys Stimme seelenvoll, bezaubernd genannt, so will Molly gern immer bezaubern, immer seelenvoll scheinen, und wird so zur seelenlosen Schwätzerin.

Ihrer Schwester sagt der Spiegel, daß ihre Zähne wie Perlen, daß ihr Lächeln unwiderstehlich sey. Sie weist nun beständig der Welt, und – ihrem Glücke, die[87] Zähne, und jemehr Jahre verschwinden, desto reizloser, wehseeliger wird das Lächeln, bis sich, o Unglück, zuletzt der holdseelige Mund, auch seines Perlenschmuckes beraubt, nur öffnet, um über die Eitelkeit der jungen Welt zu schmählen, wo dann die Periode des Fraubasenthums eintritt.

Darum ist eine goldene Regel, passend auch für Jünglinge besonders aber für junge Mädchen, welche in die große Welt eingebürgert werden: hütet Eure Zunge – höret viel, plaudert desto weniger! – O, daß sie doch befolgt würde!!

Die Schwatzhaftigkeit will immer neuen Stoff und erzeugt


Quelle:
Hoffmann, Karl August Heinrich: Unentbehrliches Galanterie-Büchlein für angehende Elegants. Mannheim 2[1827], S. 82-88.
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