Neununddreißigstes Kapitel

Einladungen, Gesellschaften.

[130] Zu einem größeren Festmahle müssen die betreffenden Einladungen mindestens acht Tage vorher versendet werden.

Wird ein Tischplatz durch eine Absage frei, so darf man für den ausfallenden Gast höchstens eine Person nachladen, mit der man auf sehr intimem Fuß steht.

Die Tischplätze werden vorher bestimmt.

Man legt zu diesem Zwecke die Karten für die betreffenden Personen auf die für sie bestimmten Plätze und bediene sich außerdem der bekannten Tischordnungspläne.

Es ist auch üblich, den Herren vor Beginn der Tafel Karten zu reichen, auf welchen steht: »Herr so und so wird gebeten, Frau oder Fräulein so und so zu Tisch zu führen.« Eine solche Rangordnung der Plätze festzustellen, macht den betreffenden Wirten vorher viel Mühe.[130]

Es ist keine Kleinigkeit, verschiedene Elemente, wie sie sich doch immerhin in einer größeren Gesellschaft zusammenfinden, passend zu ordnen.

Doppelt taktlos und gegen den guten Ton ist es daher aber auch, wenn solche Tischordnung seitens der Gäste durch Wechseln der Karten umgestoßen wird. Es ist dies nicht nur beleidigend, den Maßnahmen der Wirte gegenüber, sondern auch, und dies in erster Reihe, gegen diejenigen Personen, deren Nachbarschaft durch solches Vorgehen abgelehnt wird.

Der Herr des Hauses führt meist die Dame zu Tisch, der er die größte Verbindlichkeit schuldet, ebenso wie die Frau des Hauses meist von dem höchsten Ehrengaste geführt wird.

Der Hausherr geht mit seiner Dame vorauf in den Speisesaal, die andern Paare folgen ihm, und die Hausfrau beschließt mit ihrem Herrn den Zug.

Der Rückzug in den Salon nach aufgehobener Tafel wird in entgegengesetzter Weise angetreten. – Hier geht die Hausfrau mit ihrem Herrn voran, und der Hausherr beschließt den Zug mit seiner Dame. Hausherr und Hausfrau müssen bei einer Gesellschaft sich gegenüber sitzen, damit die Aufmerksamkeit für die Gäste nach verschiedenen Richtungen betätigt werden kann.[131]

Die Ehrenplätze sind stets neben dem Herrn oder der Herrin des Hauses; diese werdenden hervorragendsten Gästen zugewiesen, worauf sich dann die andern in gebührender Reihenfolge anzuschließen haben.

Fühlt sich ein Gast an einer Festtafel ungünstig gesetzt, so wäre es ein arger Verstoß gegen den guten Ton, wenn er seinem Mißbehagen durch Mienen oder gar durch Worte Ausdruck verliehe. Inmitten einer fremden Gesellschaft muß man sich unter allen Umständen zu beherrschen verstehen, einerseits aus Rücksicht für die Wirte und für die Gäste, anderseits aus persönlichem Anstand.[132]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 130-133.
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