Achtes Kapitel

In der Kirche.

[47] In der Kirche hat man unter allen Umständen eine andachtsvolle, ruhige Haltung zu beobachten. Man hat sich niemals über die Zeremonien Andersgläubiger zu belustigen, wenn man deren Kirche besucht. Man hat sich während der Anwesenheit in einer Kirche allen dort gebräuchlichen Zeremonien anzuschließen.

Es ist unpassend, in der Kirche die Predigt laut zu kritisieren.

Tritt man in die Kirche, nachdem der Gottesdienst bereits begonnen hat, so hat man sich geräuschlos auf irgendeinen Platz zu setzen.

Jemand während des Gottesdienstes vom Platze aufstehen heißen, ist unpassend.

Seine Bekannten grüßt man in der Kirche möglichst unauffällig.

Man soll niemand in der Kirche neugierig mustern, sondern seine ganze Aufmerksamkeit dem Gottesdienst zuwenden, selbst wenn dieser nicht fesselt.[47]

Die Kirche vor der Predigt zu verlassen oder erst nach der Predigt zu kommen, ist eine Rücksichtslosigkeit gegen den Prediger.

Es ist unangemessen, sich zum Besuche der Kirche besonders auffällig zu kleiden.

Auch in nachlässigem Anzuge soll man in der Kirche nicht erscheinen.

Wer sich besonders ermüdet fühlt, soll vermeiden, in die Kirche zu gehen, wenn er nicht genau weiß, daß er einer Gefahr des Einschlafens unbedingt widerstehen kann, da das Schlafen in der Kirche nicht nur pietätlos, sondern auch taktlos gegen den Prediger und diejenigen Kirchenbesucher ist, deren Aufmerksamkeit und religiöses Gefühl dadurch verletzt wird.

Wird eine Dame in der Kirche von einem Herrn auffallend gemustert, so soll sie dies nicht bemerken.

In der Kirche hat man keine Standesunterschiede zu machen und Leute, deren Nachbarschaft einem nicht angemessen dünkt, dies merken zu lassen.

Es ist unangemessen, sich in der Kirche mit seinen Nachbarn in geschwätziger Weise zu unterhalten.

Die Kirche in stürmischer, lärmender Weise zu verlassen, ist durchaus gegen den guten Ton.[48]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 47-49.
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