Allgemeine Körperpflege.

»Nichts als frisches Brunnenwasser«, – antwortete eine mir bekannte Dame auf die Frage, welche Schönheitsmittel sie nur angewendet habe, um sich, auch in späteren Jahren, solch' zarte Haut, solch' frische Farben zu bewahren.

Nun wird man mir einwenden, daß man sich überall doch mit Wasser wäscht. Man wäscht sich aber fragt mich nur nicht wie? Ein sehr großer Theil der Menschen, selbst diejenigen, die sich für sehr reinlich halten, kommen über das Waschen des Gesichts und der Hände nicht hinaus und denken alles Erforderliche gethan zu haben, wenn sie durch ein Bad oder eine Generalwäsche am Sonnabend auch dem übrigen Körper sein Recht geben. Das ist aber keineswegs der Fall. Ein tägliches Waschen oder Abreiben des ganzen Körpers entspricht allein den Anforderungen der Reinlichkeit und der Gesundheit. Und zwar bin ich dafür, daß man dieses Geschäft allein besorge und ein möglichst grobes Handtuch zum Abreiben benutze. Es ist dieses auch nicht so schwierig und zeitraubend, wie manche Menschen behaupten wollen, denen es, wenn sie beim Glase Bier sitzen, auf ein paar Minuten nicht ankommt. Bei täglicher Uebung werden die Handgriffe dabei so mechanisch, daß man in wenigen Minuten das Geschäft des gründlichen Waschens vollführt hat und nun erfrischt, mit behaglichem Wohlgefühl, sich zum Kaffee niedersetzt. Durch das Selbstabreiben, das Bücken, Wenden und Drehen dabei, wird der Körper, während des Waschens, in steter Bewegung erhalten und so einer möglichen Erkältung vorgebeugt.[1]

Im Winter ist es rathsam, die Waschungen in einem nicht zu kalten Raume vorzunehmen und auch Wasser dabei zu verwenden, welches die Nacht über gestanden hat. Aussetzen darf man aber nur in Krankheitsfällen, da jede Unregelmäßigkeit leicht eine Erkältung verursacht. Zur Beruhigung ängstlicher und wasserscheuer Gemüther will ich noch hinzufügen, daß in Meran, wo sich bekanntlich sehr viele Lungenkranke während des Winters aufhalten, diesen sofort die kalten Waschungen anempfohlen wurden. Und zwar geschah dieses durch den Hofrath Dr. Tappeiner, eine Autorität in Behandlung Brust- und Lungenkranker, dessen Ruf weit über Deutschlands Grenzen gedrungen ist.

Das Waschen der Füße geschieht besser am Abend und mit warmem Wasser, da behauptet wird, daß durch Erkältung der Füße die Augen leiden könnten. Vor allen Dingen hüte man sich, die Füße, sobald sie sehr erhitzt sind, in kaltes Wasser zu stecken. Ich kenne eine alte Köchin, die dadurch, daß sie sich oft diese Erleichterung für ihre Schweißfüße verschaffte, sich ein qualvolles Gichtleiden zugezogen hat. Nach starken Märschen thut man gut, die Füße zuerst mit Spiritus oder Franzbranntwein abzureiben, sowie auch der ganze Körper, sobald er durch anstrengende Touren oder Geschäfte in Transpiration gerathen ist, nie mit kaltem Wasser gewaschen werden darf.

Tägliche Bewegung in frischer Luft ist ferner dem Körper erforderlich und möchte ich davon nur diejenigen Menschen ausnehmen, die in Ausübung ihrer häuslichen oder anderweitigen Geschäfte schon genügende Bewegung haben.

Bei der Wahl der Kleidung zum Ausgehen empfiehlt es sich, dem Wetter Rechnung zu tragen. Namentlich warne ich die jungen Mädchen, sich nicht, der vielleicht eben herrschenden Mode wegen, zu leicht zu kleiden, um nachher diese kleine Regung der Eitelkeit durch langes Kranksein zu bereuen.

Kommt man bei schmutzigem oder regnerischem Wetter nach Hause, so wechsele man sofort die durchnäßten Kleider und achte dabei in erster Linie auf die[2] Fußbekleidung. Nasse Füße sind schon oft die Ursache schwerer Krankheiten geworden, und wie schlecht die Luft im Zimmer von feuchtem Schuhwerk wird, hat wohl Jeder schon erfahren.

Ich darf bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt lassen, wie überhaupt dafür zu sorgen ist, stets reine Luft in Wohn- und Schlafräumen zu haben. Jeder Eß-oder andere starke Geruch muß sofort durch Oeffnen der Fenster vertrieben werden. Wo man mit Kohlen heizt, empfiehlt es sich, stets ein Gefäß mit Wasser im Ofen zu haben; die sonst leicht trockene Luft wird durch die Dämpfe des verkochenden Wassers für die Lungen gesunder. Eine gemäßigte gleichmäßige Wärme im Wohnzimmer zu erzielen, muß das Hauptaugenmerk der Hausfrau sein. Nicht weniger als 15 und nicht mehr als 16 Grad ist für die Mehrzahl der Menschen am zuträglichsten.

Nach dieser kleinen Abschweifung empfehle ich noch das häufige Wechseln der Wäsche und komme dadurch auf mein Thema »Die Körperpflege im Allgemeinen« zum Schluß zurück.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 1-3.
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