Besuche machen.

[43] Darüber ist zu dem Vorstehenden nicht viel hinzuzufügen.

Man wähle zu seinen Besuchen nicht eben eine Zeit, von der man weiß, daß der Andere verhindert ist zu empfangen, z.B. die Tischzeit. Treten wir aber ohne es zu wissen zu diesem Zeitpunkte in's Haus, haben[43] wir entschieden den Dienstboten zurückzuhalten, der vielleicht schlecht instruirt, uns dennoch der Herrschaft melden will. Ebenso verhält es sich, wenn Gesellschaft im Hause ist.

Wenn wir demjenigen, den wir besuchen wollen, fremd sind, ist es Gebrauch, die Visitenkarte in's Zimmer zu senden, damit wir sicher sind, daß unser Namen richtig verstanden wird.

Machen uns Leute einen Besuch, mit denen wir keinen Verkehr wünschen, haben wir dennoch die Visite zu erwidern. Ueberhaupt scheue sich Niemand lieber einmal einen Besuch zu machen, der ihm überflüssig erscheint, als darin etwas zu verfehlen und für unhöflich verrufen zu werden.

Sind wir den Tag über sehr beschäftigt, wird alle Welt es uns gern und eher verzeihen, wenn wir die übliche Besuchszeit nicht einhalten, als wenn wir gar nicht kommen.

An den meisten Orten ist diese von 12-2, an verschiedenen auch Nachmittags von 4-5 Uhr, doch ist sich darin ganz nach der Sitte des jeweiligen Wohnortes zu richten.

Ehe ein Herr in das Besuchzimmer einer Dame tritt, muß er sich seines Ueberziehers entledigen, den Hut behält er indessen in der Hand und wird ihn erst fortlegen, wenn er besonders dazu aufgefordert wird. Regenschirme darf Niemand mit in's Zimmer nehmen. Daß Jeder Sorge trägt, die beschmutzten Stiefel vor Betreten des Zimmers gehörig abzuputzen, versteht sich wohl von selbst und ist diese Bemerkung gewiß überflüssig.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 43-44.
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