Frisiren, Rasiren.

[9] Zuerst über die Frisuren der Damen, die, ohne daß man etwas Uebertriebenes oder Auffallendes wählt, sich doch dem Geschmack der Zeit anschließen müssen. Der eleganteste Anzug kann gänzlich wirkungslos werden, wenn eine Frisur von vor zwanzig Jahren dazu präsentirt wird. Auch die Form der Hüte ist stets auf die augenblickliche Mode berechnet und indem ich wahrhaftig nicht wünsche, daß man sich dieser Tyrannin sclavisch unterordnet, ist eine gewisse Beachtung derselben von der Schicklichkeit geboten.

Eine einfache Frisur läßt sich mit ein wenig Geschmack und Tact sehr leicht, durch unscheinbare Veränderungen, der Mode anpassen. Der Geschmack muß dabei zu Rathe gezogen werden, nicht etwas zu wählen, was der Trägerin nicht zu Gesicht steht. Wer u.a. eine große Stirn hat, darf nicht, durch Zurückstreichen der Haare, dieselbe noch größer machen, oder umgekehrt, bei einer niedrigen Stirn nicht die Haare bis auf die Augen herabfallen lassen. Doch darüber sind im Ganzen keine bestimmte Vorschriften zu machen. Ein feiner Tact bewahrt aber davor, daß man nicht etwas trägt, was den Jahren, der Gesichtsfarbe und Form entgegensteht. – Junge Mädchen haben darauf zu achten, daß sie bei einer viel leicht kleidsamen Frisur doch alles Ungewöhnliche vermeiden.

Jede Dame sollte lernen, sich selbst zu frisiren, und zwar schon von Jugend an, denn die Abhängigkeit in diesem Punkte macht sich auf Reisen und bei veränderten Verhältnissen stets sehr fühlbar.[9]

Manche Haare erfordern etwas Oel oder Pomade, doch sei man möglichst sparsam damit und vermeide auch die sogenannten wohlriechenden Fette, die im Verein mit dem Duft der Haare gebracht, oft nicht wohlriechend bleiben. Mit Wasser die Haare zu kämmen, ist nicht allein schädlich, sondern giebt auch denselben einen geradezu ekelhaften Geruch. Dagegen empfiehlt es sich, ab und zu die Kopfhaut mit Franzbranntwein oder Spiritus tüchtig zu reiben, ein Verfahren, was höchst erfrischend und stärkend ist.

Die Schicklichkeit erfordert, daß eine Frau stets ordentlich frisirt ist, und fehlt ihr dazu die Zeit, ein nettes Morgenhäubchen trägt, bis sie, jedenfalls aber vor dem Mittagessen, zum Frisiren kommt. – Vor dem Mittagessen und daran darf weder Wasch-, noch Schneider-, noch Schlachtetag eine Ausnahme machen. Es ist dieses eine Rücksicht, die sie ihrer Umgebung schuldet, und von der nur Krankheit sie dispensirt.

Was nun die Männer betrifft, so haben sie es ja weit leichter, denn mit wie wenig Mühe ist ihr Kopf wohl geordnet. Ich spreche hier natürlich nicht von den Jünglingen, die sich durch den Scheitel am Hinterkopf viel Arbeit machen, für solche ist dieses Capitel nicht geschrieben, denn sie wissen ohnedem, was ihnen in diesem Punkte obliegt (ob auch in anderen?).

Die übrigen Männer mache ich nur darauf aufmerksam, sich durch rechtzeitiges Schneiden die Haare in Zucht zu halten. Eine Löwenmähne wird nicht einmal für Künstler schön gefunden, ebenso wenig, wie es ein erfreulicher Anblick ist, Knaben mit langen, künstlich gedrehten Locken zu sehen. Ein natürlicher Krauskopf aber ist immer hübsch. Was ich bei den Damen über Pomade und Oel gesagt, gilt natürlich auch für die Herren.

Tragen künstlicher Scheitel empfiehlt sich für beide Geschlechter, sobald kahle Stellen oder gar eine vollständige Glatze dergleichen nothwendig machen. Aber entschieden muß verlangt werden, daß auch die Farbe und Form der Perrücke oder des Scheitels dem Alter des Trägers angemessen ist. Namentlich haben die[10] Herren wohl zu beachten, daß ihre Perrücke mit der Farbe ihres Bartes stimme, und sollte dieser ein wenig in's Graue übergehen, so haben sie die Perrücke in dieser Schattirung zu nehmen, nicht aber darf die erstgewählte in alle Ewigkeit fort getragen werden. Es ist dieses sehr entstellend, ebenso wenn man den Bart der Perrücke entsprechend färben will. Manche Männer machen sich durch solche Toilettenkünste geradezu lächerlich. Ich kenne einen Herrn, der mit seinem schwarz gefärbten Barte bei dunkler Perrücke wie ein alter Geck aussieht.

Aeltere Herren tragen auch gern ein Käppchen und ist dieses dunkel zu wählen. Den türkischen Fez überlasse man getrost den Modenarren.

Ueber Rasiren ist nicht viel zu sagen, als daß man gleichfalls nicht verabsäume, diese Pflicht der Acuratesse zu erfüllen, – möglichst sei dieses täglich. Auch dabei empfiehlt es sich, diese Kunst selbst zu erlernen, um nicht abhängig von den Figaros jedes beliebigen Ortes zu sein.

In Gesellschaft geht man nie unrasirt, zu seinen Visiten, zu Respectspersonen, Behörden, Feierlichkeiten irgend welcher Art ebenso wenig. In der Familie wird ein artiger Mann ebenfalls nicht mit einem Stoppelfelde oder zerzaustem Barte einhergehen, aber es sind eben nicht alle Männer artig und fein.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 9-11.
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