Das Duell

[73] Hinter den Kiefern, die die Straße vom Abhang trennen, hält der Wagen. Langsam steigen die vier schwarz gekleideten Herren aus und verschwinden hinter den Bäumen. Im Schritt fährt der Wagen weiter. Langsam rötet sich über den olivgrünen Baumwipfeln der Himmel. Der graue Dunst des regnerischen Morgens liegt in der Luft und läßt die Männer frösteln, die auf der kleinen Lichtung oberhalb des Sees warten. Zwei der Herren stehen zusammen, den Mantelkragen hochgeschlagen, die Hände in den Taschen vergraben, die Zigarette im Munde. Am Fuße eines etwas abseits stehenden Baumes kniet der Arzt vor seinem Kasten und packt die Instrumente aus. Ein leichter Geruch von Karbol zieht durch die Luft. Langsamen Schrittes geht der eine der Zeugen auf und ab, hält Ausschau nach der Richtung der Straße.

Wenige Minuten später sind alle beisammen. Schweigend legen die Gegner Rock und Weste ab, die Sekundanten gehen an ihre Plätze, der Unparteiische tritt vor: »Meine Herren«, tönt die scharfe Stimme durch die Luft – »meine Herren« .....

Es liegt in unseren sozialen Verhältnissen begründet, daß selbst überzeugte Gegner des Duells, in Berücksichtigung ihrer gesellschaftlichen Stellung, in die Lage versetzt werden, sich zu schießen. Um so mehr muß es erstaunen, wenn man in vielen Kreisen auf eine oft erstaunliche Unwissenheit in bezug auf die Regeln des Duells stößt.

Die Regeln des Duells? Bestehen denn solche Regeln, und sind sie überhaupt geschrieben worden? Gewiß ist das der Fall, sie sind geschrieben und durch jahrzehntelangen Gebrauch von der internationalen Gesellschaft sanktioniert. Der Verfasser dieser Duellregeln ist der Graf Chatauvillard, der auf Aufforderung des Pariser Jockey-Clubs im Jahre 1836 unter Mitarbeit prominentester Mitglieder des Klubs ein »Essai sur le duel« verfaßte und zum erstenmal in streng geregelter Form schriftlich fixierte, was bis dahin als ungeschriebenes Gesetz galt. In der Literatur über das Duell existieren zwei Abhandlungen: »Die Regeln des Zweikampfs« von Louis Chappons und der »Nouveau Code du duel« des Grafen du Verger.[74]

Die Ansicht, daß beim Duell stets neue, den Kontrahenten unbekannte Waffen benutzt werden, ist unrichtig. Es ist erlaubt, sich seiner eigenen Waffen zu bedienen.

Die Forderung muß längstens 24 Stunden nach der Beleidigung erfolgt sein, das Duell soll 48 Stunden nach erfolgter Forderung stattgefunden haben.

Differenzen zwischen Offizieren vor dem Feinde werden erst nach Friedensschluß ausgeglichen.

Die Gegner legen Rock und Weste ab und werden von den Sekundanten der Gegenpartei untersucht. Derjenige, der geschossen hat, muß das Feuer des Gegners unbeweglich erwarten. Die Antwort muß binnen einer halben Minute erfolgt sein. Nach dieser Zeit erlischt das Recht zum Schuß. Der Kampfleiter kommandiert »Feuer« und beginnt unmittelbar danach zu zählen. Zwischen eins und drei darf geschossen werden. Die Pausen zwischen den Zahlen betragen etwa 1 Sekunde. Hunderte von Paragraphen regeln den genauen Verkehr für Gegner und Sekundanten.


Das Duell

Wenn auch ab und zu bei uns ein Duell mit tödlichem Ausgang eintritt, so reichen sich doch nicht selten nach dem letzten Schuß die Gegner die Hand, und alle Beteiligten feiern nach den durch das frühe Aufstehen verursachten Unannehmlichkeiten bei einer Bowle bei Kannenberg Versöhnung.

Quelle:
Koebner, F. W.: Der Gentleman. Berlin 1913, [Nachdruck München 1976], S. 73-75.
Lizenz:
Kategorien: