»Barverkehr«

[82] In der kleinen Residenzstadt heben die Honoratioren und Tanten, die Biedermeier und Ängstlichtuer voll Abwehr die Hände, wenn das Wort »Bar« fällt. Visionen Courths-Mahlerscher Lasterhöhlen mit Bauchtanz und »Frou-Frou«-Röckchen tauchen auf. Gehen wir dem Gespenst zuleibe!


»Barverkehr«

Die Bar ist die natürlichste Ausdrucksform einer Erfrischungsstätte.

»On the bar«, am Schanktisch – nichts weiter. Ja, wo liegt aber dann der faszinierende Reiz, der die weithin sichtbare Aufschrift: »Bar« bis in die tiefsten romanischen Länder hinein verpflanzt hat, wo sie zur Nationaleigenheit wurde? Bündig gesagt ist respektive war die Var für den Mann die letzte Fortsetzung des Kaffeehauses. War – deshalb, weil das Vorrecht des stärkeren Geschlechts beim »drink«: den Jonglierkünsten des »mixer« nachzustarren, im Schwinden begriffen ist.

Und so ist sie in bürgerlichem Gewande, ohne daß wir es gemerkt haben, in das Heim eingezogen, wo sie bei lauten Festen und Abenden mit Gästen als Stimmungsspenderin in Funktion tritt. Von den langbeinigen Hockern aus kann man mit Muße das Schlachtfeld des gesellschaftlichen Treibens überblicken, ungezwungen ergibt sich Konversation abseitig vom Alltäglichen, und eine heitere Beschwingtheit legt sich über alle Anwesenden, selbst wenn nur ein primitiver Ecktisch zum eigenhändigen Mischen aromatischer Elixiere zur Verfügung steht. Magisch wird der Zauber der Bar aber erst zur nächtlich vorgerückten Stunde als Schlußkapitel oder Vorfinale eines Bummels nach Theaterbesuch und Souper. »Gedämpft« ist das Vortragszeichen, von dem dichten Fell weicher Teppiche an bis zu den diskreten Tanzweisen, tändelndes Wortspiel mit den niemüden Muschelköpfchen hinter der Bartafel ersetzt dem einsamen Hagestolz den vermißten Flirt.
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»Barverkehr«

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 82-84.
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