Der Tee und die Dame.

[61] Ein Kapitel für sich. In kleinen Boudoirs mit vielen weißen Fellen, langgestreckten Diwans und Teerosen – in stilechten Salons an kleinen, runden Tischen, viele bunte Nelken im Raum verteilt und große Bündel weitleuchtender Schneebälle in hohen Vasen als Fond dazu. Oder der musikalische »Five o'clock«. Der Flügel ist schon geöffnet, Notenblätter sind aufgeschlagen, Kissen in den tiefen Sesseln zurechtgelegt: frischer Maiblumenduft erfüllt das Zimmer. Auch eine »Wiener Jause« an warmen Frühlingstagen, auf weiter Terrasse, taucht auf. Kleine und große Sträuße leuchtender »sweet pea's« am Riesenrundtisch. Sandwiches aus allen erdenklichen Broten, Pumpernickel und Käsegebäck, zusammengesetzt mit allen Delikatessen und appetitanregenden Gourmandisen. Als Kontrast auserlesenes Backwerk, so daß selbst die intellektuellste Besucherin um die Rezepte bittet. Hauchdünne »gateaux pithiviers«, exzellente »Florentiner Torten«, rundliche »palets de dames«, »Hamburger Schnitten« und »Wiener Tascherln« machen einander den Rang streitig. Wundervoll sind die noch wenig bekannten »gefüllten Datteln«. Süße, eiskalte Liköre in weitgeschweiften Schalen oder raffinierte Scherbetts aus Ananas und Bananen folgen als Dessert. Nicht ohne Grund spielt die sagenumwobene »l'heure bleue« eine oft sehr wesentliche Rolle im Leben der gnädigen Frau.


Der Tee und die Dame

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 61-62.
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