Lunch bei der Junggesellin.

[69] Das Wohnzimmer der Junggesellin birgt in dieser Hinsicht mehr Qualitäten als die Zehnzimmerwohnung der Geheimrätin X. Statuieren wir am Exempel ...

Sie hat zum Lunch gebeten. Ihre Schwester bestand das Abitur, nun soll im engen Freundeskreis gefeiert werden. Der runde Spieltisch vor dem Diwan wird in die Mitte des Zimmers gerückt, an Stelle des Tischchens entsteht aus einem Hutkarton das Rauchtischchen. Service für sechs Personen ist beisammen. Aber die Tischdekoration? Nichts einfacher als das. – Von dem Lorbeerbaum im Vorgarten sind schnell ein paar Blätter geflohten, in mathematischen Figuren auf den Tisch verstreut, und eine letzte, zärtliche Vereinigung von Bleistiften, Radiergummis, Taschenmessern usw. ersetzt das Unsymbolische kostbaren Porzellans, das alles Persönliche meist ausschaltet. Das Menü ist schnell gemacht und lautet auf einer ausgerissenen Schulheftseite mit roter Tinte in Kinderschrift angezeigt:


Lunch bei der Junggesellin

Wie angenehm und leicht ist das alles mit ein wenig Hilfe hergerichtet. Das kleine Wohnzimmer hat sich binnen kurzer Zeit durch ein paar Handgriffe, Verrücken einiger Möbelstücke und Fortnehmen von kleinen Gegenständen zu einem aparten »salla à manger« verwandelt ...[69]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 69-70.
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