Ernährung.

[35] Die Ernährung hat einen doppelten Zweck. Durch sie sollen dem Körper die Stoffe zum Aufbau und zur Erwärmung zugeführt werden. Die für den ersten Zweck notwendigen Stoffe richten sich nach den Bestandteilen des Körpers und bestehen in Eiweiß und Salzen. Beide Stoffe werden durch die Nahrungsmittel dem Körper zugeführt. Bei Auswahl derselben ist also darauf zu achten, daß sie auch diese Nährmittel in genügender Menge enthalten. Eiweißstoffe werden meistens dem Körper zuviel zugeführt, da man diesem Nährstoffe gewöhnlich eine zu große Bedeutung beilegt. Um dem Körper die so sehr nötigen Salze (nicht nur Kochsalz) zuzuführen, ist der reichliche Genuß von Gemüsen, Früchten und frischem Obst, sehr notwendig. Der Genuß der Salze und des Eiweißes in konzentrierter Form ist dem Körper nicht zuträglich und dürfte nur bei Schwächezuständen erlaubt sein. Die Verdauungsorgane werden dadurch außer Tätigkeit gesetzt und erlahmen in ihrer Funktion. Die wärmeerzeugenden Nahrungsmittel sind die Kohlenhydrate (Fett, Stärke, Zucker). Da der Mensch bedeutend mehr Nahrungsstoff zur Wärmeerzeugung als zum Aufbau des Körpers nötig hat, ist die Zufuhr der richtigen Menge von Kohlehydraten sehr wichtig. Fett, Stärke und Zucker sind ihren Bestandteilen nach gleich C H O. Will man die Erzeugung der Wärme durch diese Stoffe im Körper richtig verstehen, muß man auf ihre Bildung in der Natur zurückgehen. Sie sind eine Ablagerung überschüssigen Nährstoffes im tierischen resp. pflanzlichen Organismus. Fett und Stärke sind Umbildungen aus Zucker. Durch den Einfluß[35] des Sonnenlichtes bildet sich unter Mitwirkung des Blattgrünes (Chlorophyll) aus dem aufgenommenen Wasser und der Kohlensäure der Luft in der Pflanze Zucker, wobei aus der Kohlensäure (CO2) der Kohlenstoff verwendet und der Sauerstoff frei wird. Daher kommt es auch, daß die Pflanzen beim Sonnenlicht Sauerstoff abgeben. Zur Aufspeicherung wird der überschüssige Zucker in Fett resp. Stärke umgewandelt. Genießen wir nun Stärke, so wird durch den Mundspeichel und die Absonderung der Bauchspeicheldrüse die Stärke in Zucker zurückverwandelt und gelangt ins Blut. In der Lunge wird er mit dem Sauerstoff in Berührung gebracht, wobei der Kohlenstoff sich mit Sauerstoff zu Kohlensäure verbindet, die wir ausatmen. Der Sonnenstrahl wird frei und bildet für unseren Körper die Wärme. Durch die erzeugte Wärme verdunstet das Wasser, welches wir als Wasserdampf ausatmen. Daraus folgt, daß wir in kälterer Zeit mehr Fett etc. zu uns nehmen müssen, um die nötige Wärme zu erzeugen, da die kühlere Luft unserem Körper mehr Wärme entzieht. Als Hauptnahrungsmittel betrachten wir Fleisch, Stärke (Brot) Eier, Hülsenfrüchte, Gemüse, Milch. Das Fleisch bietet uns Eiweiß und Salze. Außer wenig Fett und Salzen liefert das Ei das Eiweiß. Stärke (Brot, Reis, Mehlspeisen) geben hauptsächlich Brennmaterial für den Körper, doch auch etwas Salze. Als hervorragende Nahrungsmittel sind die Hülsenfrüchte zu betrachten. Sie enthalten Eiweiß, Stärke und Salze. Die Krone aller Nahrungsmittel, besonders für Kinder ist die Milch. Die Milch ist als Nahrung für das Kalb bestimmt, enthält also alle Stoffe für den Aufbau und die Entfaltung des tierischen Körpers, deshalb auch für die Ernährung des Menschen. Aus der Umwandlung der Respirationsstoffe (Fett, Stärke, Zucker) in Wärme geht auch deutlich hervor, daß der Aufenthalt in sauerstoffreicher Luft eine unerläßliche Forderung der Ernährung ist. Dazu kommt, daß die Einwirkung des Sauerstoffes auf unser Blut auch die Reinigung desselben mit bewirkt. Dies geschieht durch Vermittlung der roten Blutkörperchen. Sie tragen nicht nur den Sauerstoff in die äußersten Teile unseres Körpers, damit er dort ein Verbrennen der verbrauchten Stoffe bewirkt und Wärme erzeugt, sondern[36] sie bringen auch die verbrauchten Stoffe in die Lungen und verbinden sie hier mit dem Sauerstoff, so das Blut von diesen Stoffen reinigend. Mit Sauerstoff beladen, der leicht an ihnen haftet, wandern sie mit dem Blutstrom wieder durch den Körper.


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 35-37.
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