II. Beim Hinausgehen.

a) Die Tür schlägt nach innen.

[81] Beim Hinausgehen aus einem Zimmer stellt man sich nicht vor die Tür, sondern neben dieselbe, mit dem Rücken gegen die Wand. Befindet sich der Drücker links so faßt man diesen auch mit der linken Hand an, öffnet, zieht die Tür an sich vorbei, faßt den Drücker wieder mit der linken Hand aber von außen an, geht parallel mit der Tür rückwärts hinaus, zieht die Tür gegen sich und schließt dieselbe.


b) Die Tür schlägt nach außen.

Man stellt sich mit dem Rücken gegen die Wand. Befindet sich der Drücker links so faßt man diesen auch mit der linken Hand an, öffnet, geht mit der Tür parallel rückwärts hinaus, faßt den Drücker mit derselben Hand aber von außen an und schließt die Tür.

Das Anfassen der Tür außer beim Drücker ist unstatthaft.

Kommt man in ein Zimmer hinein, in welchem mehrere Personen anwesend sind, so grüße man durch eine Verbeugung (unter Umständen auch mit Worten) zunächst den Hausherrn, resp. dessen Familie, dann mit einer zweiten die übrigen Gäste (nicht jeden Einzelnen). Die anwesenden Herren werden dann alsbald aufstehen, die Damen sich jedoch nur leicht erheben, um sich gleich wieder anf ihren Sitz niederzulassen; nur bei einer besonders vornehmen Person oder eventueller Vorstellung stehen diese vollends auf.

Der Besuchte wird uns beim Eintreten einen Stuhl anbieten, auf welchem wir jedoch nicht eher Platz nehmen dürfen, als bis dieser sich selbst gesetzt hat, weshalb jener nach geschehener Einladung zum Sitzen sich selbst niederlassen muß. Eine Ausnahme hiervon macht der Umstand,[81] wenn unser Besuch höherstehend ist als wir selbst sind, dann setzt sich der Besucher wohl früher als der Besuchte.

Haben verschiedene Personen im fremden Hause durch mehrere Türen einzutreten, so kann man im Vorantritt umwechseln. Nur im eigenen Hause darf man niemals selbst vorangehen; allenfalls ist es gestattet, wenn enge dunkle Korridore etc. zu passieren sind, dann hat man jedoch höflichst um den Vortritt zu bitten, um seinen Gast auf etwaige Hindernisse im Wege aufmerksam zu machen.

Tritt eine Person in das Zimmer ein, in welchem man sitzt, so erhebe man sich leicht vom Platze. Naht sich uns aber jemand, um mit uns zu reden, so hat man sich vollends zu erheben. Da dieser aber nicht verlangen kann, daß wir ihn stehend anhören sollen, so hat dieser sich entweder gleichfalls zu setzen oder uns zu bitten, Platz zu behalten; eine ganz kurze Unterredung freilich kann im Stehen abgemacht werden.

Sobald man beim Kommen eingeladen wird, Platz zu nehmen, so suche man bei einer vornehmeren Person einen Platz zu deren linken Seite zu erhalten, da denjenigen, denen wir Respekt schuldig sind, der Platz zur Rechten zukommt; das Gleiche ist bei Damen der Fall, auch trifft dasselbe beim Gehen zu.

Sitzen wir jedoch einem Vornehmeren gegenüber, so geschehe dieses in gehöriger Entfernung. Sollte derselbe uns einen Platz neben sich auf dem Sofa anbieten, so haben wir uns gleichfalls in respektvoller Entfernung von ihm zu halten.

Man kann dem Besuchenden auch je nach Umständen überlassen, sich selbst einen Platz zu wählen oder einen solchen durch eine Handbewegung andeuten und sich dann zu dem Betreffenden setzen.

Oft aber wird man nur aus reiner Höflichkeit aufgefordert auf dem Sofa Platz zu nehmen. – Es bleibt dem Taktgefühl überlassen, heraus zu finden, ob man durch seinen Rang, seine Stellung oder seine Vertrautheit mit dem Besuchten, ein Recht auf diesen Platz hat, resp. ihn annehmen darf oder nicht.[82]

Wünscht jemand ein Gespräch abgebrochen zu sehen, so deutet er solches sobald er sitzt, durch leichtes Erheben an, wenn er steht, durch eine leichte Bewegung nach der Tür zu. – Ein einigermaßen höflicher Mensch wird diese Andeutung nicht mißverstehen und sich entfernen.

Kommt man in eine Gesellschaft, so geschehe es zu rechter Zeit. Ein zu frühes Erscheinen würde den Anschein von Aufdringlichkeit, zu spätes Kommen den der Nachlässigkeit auf uns lenken.

Beim Eintritt in eine Gesellschaft sind oft die Augen vieler Personen auf uns gerichtet, daher muß man in diesem Falle noch mehr auf die Art des Eintretens Acht haben, als wenn man zu einer einzelnen Person geht, – der erste Eindruck ist doch immer der bleibende.

Befangenheit zu zeigen und sich gewissermaßen in die Gesellschaft schleichen zu wollen, würde uns event. in den Verdacht bringen, als hätten wir die Absicht, die Gesellschaft zu belauschen, während ein auffällig lautes, die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehendes Eintreten ebenfalls unhöflich ist, da es von Unbescheidenheit zeugt.

Man sollte sich in einer Gesellschaft niemals eines Platzes bemächtigen, den man eventuell hernach einem vornehmeren oder älteren Herrn oder einer Dame abtreten müßte. Die Situation wird für beide Teile peinlich, indem der eine aus Höflichkeit seinen Platz anbieten müßte, während der andere ihn aus gleichem Grunde nicht annehmen mag. Wenn möglich, tun die jüngeren Herren am besten daran, mit dem Sitzen so lange zu warten und sich stehend zu unterhalten, bis keine Damen oder höhergestellte Personen resp. ältere Herren mehr erwartet werden.

Auch der Eintritt in irgend ein öffentliches Lokal hat möglichst unauffällig zu geschehen, da einem die Publizität des Ortes kein Recht gibt, die Regeln der Höflichkeit verletzen zu dürfen.

Besucht man Kirchen, so hat das Kommen ganz besonders leise stattzufinden. Jede Auffälligkeit ist zu vermeiden, und man hat sich eines Benehmens zu befleißigen, das Ehrfurcht und Andacht durchblicken läßt. Selbstverständlich ist, daß[83] man sich den Gebräuchen der verschiedenen Religionsgemeinschaften; so lange sie genereller Natur sind, unterwirft, selbst wenn man nicht Mitglied derjenigen Gemeinde ist, deren Gotteshaus man besucht; also man entblöße das Haupt beim Betreten einer christlichen Kirche, behalte aber in einer Synagoge oder im Tempel den Hut auf, setze sich leise hin, erhebt sich aber gleichfalls, wenn sich die Gemeinde erhebt um den Segen zu empfangen.

Minder Gebildete betrachten tatsächlich das Kommen als etwas so absolut Nebensächliches, und man ist unter gewissen Ständen der Ansicht, daß man sich schon »höflich benehme« dadurch, daß man über haupt kommt und dadurch wie man kommt, kaum eine Höflichkeitsverletzung begehen könne.

Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 81-84.
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