Kommen

[78] gemacht wird, zu einem möglichst günstigen zu gestalten.

Eine Regel die leider nicht immer befolgt wird, ist die, sich das Fußzeug an den zu diesem Zwecke angebrachten Apparaten zu reinigen. – Es ist hierbei gleichgiltig, ob man ein fremdes oder das eigene Haus betritt, ob man einen intimen Freund oder eine fremde Person besucht. Die Unterlassung erregt immer einen gerechten Unwillen, und man läßt keine Fußmatten anbringen, damit andere darüber hinwegtreten sollen.

Wer unterwegs eine Zigarre raucht, werfe sie fort, bevor er das betreffende Haus betritt oder bewahre sie in einem dazu geeigneten Etui auf, nehme aber die brennende Zigarre nicht mit ins Haus, da man sich solches nur beim Besuch intimer Freunde und Verwandte erlauben darf.

Ist die Tür verschlossen, so ziehe man an dem Glockenzug, nicht allzu schüchtern, aber auch nicht allzu stark als ob man Sturm läuten wolle. Auch wiederholtes, schnell aufeinander folgendes Anziehen ist unschicklich, man hat einige Augenblicke zu warten bevor man das Klingeln wiederholt.

Erscheint selbst auf mehrmaliges Läuten niemand, so gehe man fort, um zu passenderer Zeit wieder zu kommen.

Angebracht dürfte es aber erscheinen, seine Karte zurückzulassen, vorausgesetzt, daß man im Hause schon bekannt ist. Nötigenfalls schiebe man die Karte unter die Tür hindurch.

Wird uns die Tür geöffnet, so haben wir zunächst darauf zu sehen, wer uns empfängt. Ist es ein Familienmitglied, so teile man diesem kurz den Zweck des Besuches mit, gebe seine Karte ab, oder nenne in Ermangelung einer solchen (was eigentlich nicht vorkommen sollte) seinen Namen.

Empfängt uns jedoch ein Dienstbote, so beobachte man so ziemlich das gleiche Verfahren, hüte sich aber, den Vornehmen herausbeißen und die Dienerschaft von oben herab behandeln zu wollen.[78]

Abgesehen davon, daß es mindestens unfein ist, die dienende Klasse ihre Stellung fühlen zu lassen, so hat man sich auch selbst es zuzuschreiben, wenn einem ein Vorteil verloren geht dadurch, daß man es nicht verstand, die Dienstboten eines fremden Hauses für sich einzunehmen.

Wem nicht die reizende kleine Posse: »Doktor Peschke«, bekannt ist, der mag sich selbst das Bild entwerfen, welches entsteht, wenn er zu einem fremden Herrn mit einem Anliegen kommt, und, den Diener ignorierend, in brüsker Weise verlangt, vorgelassen zu werden.

Melden wird der Diener schon den Betreffenden. Wenn aber der Herr des Hauses sagen wird: »Ist mir unbekannt, wie sieht der Mann aus?« so erfolgt zweifellos nur ein nichts- oder auch vielsagendes Achselzucken, worauf dann gewöhnlich auch der Herr sein: »Ich bin nicht zu Hause!« ertönen läßt.

Wird man vorgelassen, so bleiben Schirm oder Stock zurück, den Hut aber nimmt man mit ins Zimmer. Nur auf die ausdrückliche Bitte, abzulegen, läßt man auch diesen, sowie den Überrock und die Überschuhe bei den anderen Sachen zurück.

Ein Anklopfen an die Zimmertür ist im Falle vorhergegangener Meldung durch die Dienerschaft nicht allein unnötig, sondern auch nicht gebräuchlich. Man trete also ohne weiteres in das betreffende Zimmer ein.

Man muß hier einen Augenblick warten, bis man empfangen wird, so gehe man nicht etwa im Zimmer auf und ab, am allerwenigsten aber bis zu einer an dern Tür, was aussehen würde, als ob man lauschen wollte, berühre keine Gegenstände mit den Händen, sondern setze sich auf einen der Tür zunächst stehenden Stuhl, von welchem man sich aber sofort wieder zu erheben hat, sobald jemand ins Zimmer tritt. Zu erwähnen ist noch, daß man bei hohen Herrschaften sowie bei einem ersten Besuch ebenfalls besser daran tut, sich nicht zu setzen, wenn man nicht längere Zeit zu warten genötigt ist. Man kann überhaupt selbst im leeren Zimmer nicht vorsichtig genug sein, da man nie wissen kann, ob die Wände nicht Augen und Ohren haben.[79]

Den mitgenommenen Hut hat man tunlichst in der Hand zu behalten, und zwar so, daß die innere Seite seinem Eigentümer zugewendet ist. Ist man aber genötigt, ihn abzulegen, so lege man ihn keinenfalls auf den Tisch, sondern, wenn kein passender Platz vorhanden, auf einen Stuhl.

Wird man nun aber unten nicht empfangen, sondern tritt in ein Haus ein, dessen Türen geöffnet sind, so klopfe man nicht zu leise aber auch nicht zu unbescheiden an eine Tür. Erfolgt keine Antwort, so versuche man's bei einer andern, öffne auch wohl dieselbe ein wenig, gehe aber nicht ins Zimmer, noch weniger aber durch mehrere hindurch. – Es kann ja leicht möglich sein, daß der im Hause Anwesende den Besuch zwar bemerkt hat, ihn aber, irgend welcher Um stände halber nicht sogleich empfangen kann.

Treten mehrere Personen zugleich in ein Haus oder ein Zimmer hinein, so hat man unter allen Umständen den Damen, höher gestellten oder älteren Leuten den Vortritt zu lassen. Um noch höflicher zu sein, kann man vorausgehen, die Tür öffnen, die anderen passieren lassen und dann selbst hindurchgehend diese wieder schließen; wie man überhaupt eine Tür nicht offen stehen lassen darf, falls das Öffnen und Schließen nicht durch die Dienerschaft besorgt wird.

Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 78-80.
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