Titel.

[98] Titel, die als solche verliehen sind, und mit denen ein Amt nicht immer verbunden ist, dürfen in der Anrede nicht fortgelassen werden. Einen Doctor medicin hat man einfach »Herr Doktor« anzureden.

Besitzt der Mann einen Titel, so kann die Frau ihn ebenfalls führen; aber man hänge dann nicht, um die weibliche Form auszudrücken, das »in« an denselben. Wenn eine Dame tatsächlich unterrichtet, so ist sie eine Lehrerin, und wenn eine Dame wirklich Medizin studiert hat und ärztlich praktiziert, so ist sie eine Doktorin. Die Frau eines Arztes ist nicht Frau Doktorin, sondern Frau Doktor, die eines Pastors nicht Frau Pastorin, sondern Frau Pastor.

Besitzt ein Mann mehrere Titel, so rede man ihn nur mit dem höchsten derselben an, also z.B. Herrn Professor Doktor Meyer nenne man »Herr Professor«.

Die schriftliche Anrede eines Mannes ist die Bezeichnung »Herr« mit darauffolgendem Vor- und Zunamen. Auch kann man nach Belieben ein »Wohlgeboren« hinzufügen (z.B. bei Privatbriefen) oder weglassen (auf Geschäftsbriefen).

Unverheiratete Damen redet man schriftlich wie mündlich mit »Fräulein« an. Das aus dem Französischen herübergekommene »Mademoiselle« ist ungebräuchlich. Auf das Kuvert schreibt man »Fräulein N N, Wohlgeboren«, also den Vor- und Zunamen mit der Bezeichnung Wohlgeboren.

Verheiratete Damen heißen immer »Frau«. Die französische Bezeichnung »Madame« wird wohl nur noch von Dienstboten gegen die Frau des Hauses angewandt, sollte aber auch von diesen unterlassen werden.

Schriftlich redet man die Frau mit Vor- und Zunamen des Mannes, sowie der Bezeichnung »Wohlgeboren« an. Nur wenn man die Dame näher kennt, schreibt man ihren Vornamen.[98]

Bei der schriftlichen Anrede eines Mannes, der einen Titel führt, läßt man den Vornamen fort, also: »Herrn Geheimrat X Wohlgeboren«. Die Gattin desselben heißt: »Frau Geheimrat X Wohlgeboren«.

Adelige, welche einfach »von« heißen, sind mit »Hochwohlgeboren« nach dem Namen anzureden, also »Herrn Heinrich von Meyerswalde, Hochwohlgeboren«, ebenso dessen Gattin, Söhne und Töchter; beim Baron- und Freiherrn-Titel steht das »Hochwohlgeboren«, vor dem Namen, also »Sr. Hochwohlgeboren dem Herrn Baron Heinrich von Meyerswalde« oder »Sr. Hochwohlgeboren Herrn Heinrich Baron von Meyerswalde«, oder »Ihrer Hochwohlgeboren der Freifrau Heinrich von Meyerswalde«. Der Sohn eines Freiherrn ist entweder einfach »von« oder »Freiherr«, die Tochter ist »Freiin«, der Sohn eines Baron ist ebenfalls »von« oder auch »Baron« oder »Baronet«, die Tochter ist »Baronesse«, die Ehefrau »Baronin«.

Gräfliche Familien sind nicht »Hochwohlgeboren« sondern »Hochgeboren«, man adressiert demnach: »Sr. Hochgeboren Herrn Heinrich Graf von Meyerswalde« oder »Sr. Hochgeboren dem Herrn Grafen Heinrich von Meyerswalde«, – »Ihrer Hochgeboren der Frau Gräfin Heinrich von Meyerswalde«. »Ihrer Hochgeboren der Komtesse Bertha von Meyerswalde«.

Im Zweifel wende man sich bei dem schriftlichen Verkehr mit gekrönten Häuptern an das Hofmarschallamt oder den Zeremonienmeister des betreffenden Hofes. Noch besser ist es, sich in derartigen Fällen an Leute zu wenden, die in der Abfassung solcher Schriftstücke bewandert sind. Beim schriftlichen Verkehr vernachlässige man nicht die Form. Man schreibe nicht zu große, baumlange, nicht zu kleine Buchstaben, halte das Geschriebene sauber und rein von Tinte- und Schmutzflecken; denn man würde aus einem unordentlich aussehenden Brief einen unvorteilhaften Schluß auf seinen Absender ziehen. Vor allen Dingen schreibe man in kurzen klaren Sätzen die Mitteilung nieder. Wer seine Gedanken nicht so fort logisch geordnet niederschreiben kann, der fertige zuerst eine Kladde des Briefes an, lese sich diesen laut vor und schreite dann nach etwaiger Korrektur zur Herstellung der Reinschrift. Streichungen und Änderungen sollen[99] nicht vorkommen. Nachdem der Brief Datum und Anrede empfangen hat, leite man denselben mit der Empfangsbestätigung eines Briefes des Adressaten, oder unter Bezugnahme auf ein eigenes früher abgesandtes Schreiben, daß vom Adressaten, noch nicht beantwortet wurde, oder auf eine sonst passende Art ein und schreibe dann gleich und ohne Umschweife die Mitteilung nieder. Der Schluß sei kurz aber höflich und trage die deutliche Namensunterschrift des Absenders. Nur ein auf diese Art abgefaßter Brief wird eine günstige Aufnahme seitens des Adressaten zu erwarten haben.

Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 98-100.
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