Innsbruck.

[107] Den 27. März reisten wir fort nach Innsbruck. Neue Leute waren in Augsburg zu uns gekommen: Herr Krenzin, H. und Mad. Wezel, H. Leo. Wir kamen alle gesund und wohl den 29. März an. H.v. Very war nicht mitgereist, sondern hatte einen Kassierer nachgeschickt, der mit dem Herrn v. Wibmer bald nach uns eintraf. Die Herrschaften hatten das Schauspielhaus sehr verschönern lassen. Wir waren 17 Personen stark mit dem Ballett, und die Gesellschaft war an guten Schauspielern reicher, als das Jahr vorher. Auch die Garderobe war gewiß recht hübsch; die Innsbrucker dazu genommen, so konnte jedes Stück gemacht werden. Man war auch mit allem zufrieden, nur ein Liebhaber fehlte noch. Herr von Wibmer entschloß sich also, selbst mitzuspielen. Er war ein schöner Mann von Bildung und Person und gewiß noch keine 30 Jahre alt, ein Mann von vielen Talenten, der viele große Theater bei seinen Reisen in England und Frankreich,[107] auch in Deutschland, gesehen. Die erste Rolle, die er spielte, war in der »Agnes Bernauerin« der Herzog Albrecht. Er leistete alles in der Rolle, was man von einem Mann verlangen kann, der zum ersten Male als Schauspieler auftritt. – Auch kann ich nicht umhin, etwas von Herrn Krenzin zu sagen, und dieses etwas ist: er war Schauspieler. Er spielte mit so vieler Feinheit und Einsicht, arbeitete manche Rolle so aus, wie ich sie nie besser spielen sah. Unvergeßlich wird mir sein Orest bleiben. Nie sah ich den Mann Leidenschaften in Fetzen zerreißen; stets blieb er der Natur getreu. Nicht allein glänzte er über so viele, die wunder glaubten, was sie sind, im Trauerspiel, sondern auch im Drama und Lustspiel; seine ernsthaften Liebhaber und jungen Männer, sein Lizentiat Frank und der Fähnrich in »Die große Batterie«, er verfehlte keinen von diesen Charakteren. Sehr früh hat er sich auf das Fach der ernsten zärtlichen Väter gelegt. Sie mußten ihm gelingen, wenn ich bedenke, wie schön ihm die erste Rolle in dem Fach gelang, nämlich in der »Agnes Bernauerin« der Kanzler. Er mußte einige Male auch komische Alte übernehmen, aber die gelangen ihm damals nicht. Ein Mann von so ausgezeichneten Verdiensten, den das ganze Publikum schätzte und verehrte, fand, wie es immer geht, auch seine Neider.

Wie hätten wir vergnügt sein können, wenn nur der böse Neid und die Zwietracht nicht gewesen wären! Die Frauenzimmer waren wieder die ruhigsten. Im Grunde bedarf es nur einer einzigen, um alles zu verwirren. O Theater, Schauspieler und Neid! Warum kann keins ohne letzteren sein? Wenn in einem jeden Stand die Kollegen sich so untereinander verfolgen sollten, wie die Schauspieler, welcher würde bestehen? Und wie unbegreiflich ist es mir, daß eben dieser Stand von Mitgliedern jährlich so zunimmt! Aber freilich sind sie auch danach. Mit Gewalt muß ich mich zwingen, Auftritte zu übergehen, die der Menschheit zur Schande gereichen.

H. von Wibmer versprach sich besseren Vorteil. Die Gesellschaft hatte gute Gage, bei der sie bestehen konnte. Aber es kam nicht so viel ein, als es gekostet, uns hinzuliefern.[108] Herrn von Wibmer machte das ernsthaft. Er war im Wege; andere wollten herrschen und dirigieren, damit sie Rollen spielen konnten, welche sie wollten. Wibmer war ein Mann von Ehre und ohne Parteilichkeit. Er wurde gemißhandelt auf die unverantwortlichste Weise. Der erste Juli 1781 war der Tag, an dem das Feuer ausbrach, das zwar lange, aber sichtlicher den 5. Juni, angeschürt, den 6. zu ein paar Flammen auflohte, die zwar gedämpft wurden, aber desto fürchterlicher unter der Asche glimmten, bis es hell aufloderte an diesem 1. Juli, den ich wünschte, nicht erlebt zu haben. Ungerechtigkeiten von der Art sind wir in unseren jetzigen traurigen Zeiten mehr zu hören gewohnt. Aber damals war noch keine Revolution in Frankreich, folglich ungewohnter. Und wer war schuld? Eine einzige Person.

Herr von Wibmer reiste den 21. Juli nach Wien. Den 23. kam Herr von Very. Aber nun ging der Spektakel erst recht an. Den Mann hatte der Zorn des Himmels zum Direkteur einer Schauspielergesellschaft gemacht. Mitleid hatte ich mit ihm. Es hatte ihn doch das viele Geld gekostet. Aber es war unbegreiflich, daß er nicht hören wollte. Er versprach; aber immer hatte er's wieder vergessen, und tat gerade das, was ihm schaden mußte. Und leider konnte man ihm nichts glauben. Wenige Wochen war er da, und man konnte sicher rechnen, daß des Freitags Händel sein würden, denn es war der Gagetag, und keiner wollte oder konnte ihm eine Woche borgen. Nun dankte er die Gesellschaft auf ein paar Stunden ab. Die hatten dann zu laufen, bis er Anstalt machte und auszahlte. Ich sah die Zucht nur einmal an, kam nicht wieder an Gagetagen hin und schickte meine Magd. Bekommen sie alle, nun so bekommst du deine Gage auch. Schickt er solche nicht den Freitag, nun, so schickt er sie doch ein paar Tage später.

Sonnabend, den 22. September, sollte »Elfriede« wieder gegeben werden. Ich sitze ruhig bei meiner Rolle, weil wir keine Probe hatten, als ein Bedienter kommt von Herrn von Schenk, ich möchte doch so gut sein und gleich hinkommen. Nie war ich dagewesen, der Bediente mußte warten, mir das Haus zu weisen. Ich komme hin und fand[109] H.v. Very nebst den meisten Herren von der Gesellschaft. Herr v. Schenk sagte: »Nun, Madame Kummerfeld, noch kommt es auf Ihren Anspruch an. Die Gesellschaft will, daß dem H.v. Very die Direktion genommen werde, weil er gestern keine Gage gegeben. Soll er sie behalten oder nicht? Noch kommt es auf Ihre Stimme an.« Ich: »Auf mich?« H.v. Schenk: »Ja!« – Ich wendete mich zu Herrn v. Very und sagte geradezu, nach meiner Art, alle die Fehler, die er gemacht. Daß er wirklich kein Mann sei, dem man noch glauben könne, zeigte die Beweise auf und forderte, er solle das Gegenteil behaupten, wenn er könne. Er schwieg. Und nun wendete ich mich zu dem Herrn von Schenk und sagte: »H. von Very hat auf seine Kosten die Gesellschaft hergeliefert, die Garderobe machen lassen, und es hat ihn viel Geld gekostet. Jetzt sind Aussichten da, wo zu hoffen ist, daß mehrere gute Abende sein müssen. Ihro Königliche Hoheit, der Erzherzog Maximilian werden erwartet, desgleichen die Prinzessin von Sardinien; der Namenstag von unserer Erzherzogin Königliche Hoheit fällt ein. Ich fände es also für die größte Ungerechtigkeit, H.v. Very die Direktion zu nehmen, da er Aussichten hat, sich erholen zu können von seinem Schaden, und da jetzt die gute Komödienzeit hier erst angeht. Wenn aber H.v. Very alsdann wieder sagt, er könne kein Geld geben, wie er es seit Wochen alle Freitage gesagt, ja, dann kann gemacht werden, was man will, und ich habe nichts mehr zu sagen.« H.v. Schenk: »Madame Kummerfeld, das heißt in meine Seele gesprochen! Ja, H.v. Very behält die Direktion, bis er wieder umsattelt und von neuem andern Sinnes wird.«

Da standen wir denn. Ob ich mir Freunde gemacht, weiß ich nicht. Manche waren wohl auf meiner Seite in ihrem Herzen und hatten sich nur durch die unruhigen Köpfe mit fortreißen lassen. Herr B. blieb dabei, er gehe mit keinem Fuß mehr aufs Theater, wenn er nicht noch heute vor der Komödie seine Gage hätte. Die andern wollten nur mit etwas zufrieden sein und mit dem Rest bis morgen oder Montag warten. Und H.v. Very versprach, jedem etwas zu schicken, Herrn B. aber seine Gage ganz.[110]

Wir waren den Abend alle auf dem Theater, und der Herr B. fehlte. Es hieß, er käme nicht, denn er hätte noch nicht seine Gage bekommen. Ich kannte ihn zu gut von jeher, daß er in dergleichen Punkten Wort hielt. Die höchste Zeit war's; denn alle waren fast angekleidet. Ich schrieb mit Bleistift auf einen leeren Stecknadelbrief Herrn v. Very etliche Zeilen, warum er dem Herrn B. nicht seine Gage bezahle. Da antwortete mir H.v. Very: »Ich danke Ihnen, liebste Freundin, daß Sie mich daran erinnert. Ich hatte es vergessen.« Immer hatte es der Mann vergessen. Das war und blieb seine Entschuldigung.

Das Haus war den Abend voll, auch waren fremde Herrschaften aus Wien da. Ein volles Haus und der Gedanke: hast heute wieder eine gute Tat getan, machte mich so recht zum Spielen aufgelegt. Ohngeachtet der Verwirrung am Morgen und auch ohne Probe ging das Stück gut. Warum soll ich's nicht sagen, was die Wiener Herrschaften von mir gesprochen? »Warum geht die Frau nicht nach Wien? So gut, wie sie die Elfriede spielt, wird sie in Wien nicht gemacht.« Der erste Präsident, Herr Graf von Heister, antwortete: »Ja, aber wir wollen hier auch was Gutes haben.«

Es kamen gute Einnahmen, auch ging es ziemlich ruhig bis auf den 21. Dezember. Da sagte Herr v. Very wieder, er könnte keine Gage geben. Nun schwieg ich still. H. von Very mußte einen Aufsatz machen, wie viel und was er allen schuldig. Herr v. Schenk schickte jedem, was er zu fordern hatte, und H.v. Very war die ganze Direktion genommen. Gott weiß, wo der Mann hingekommen. Er war von Innsbruck weg; niemand wußte wohin. Und nie habe ich seit der Zeit etwas von ihm gehört. Möchte er der letzte gewesen sein, der eine Schauspieldirektion übernahm, ohne solche zu verstehen!

Den ersten Feiertag schickte der Herr Graf von Heister um 12 Uhr zu mir, ich möchte um 1 Uhr zu ihm kommen. Ich war den Tag in große Gesellschaft gebeten, wollte mich nicht gern dreimal ankleiden, folglich brauchte ich mehr Zeit zur Toilette, so daß es beinahe 2 Uhr war, ehe ich zu dem[111] Herrn Grafen kam. Ich fand bei demselben die ganze Gesellschaft.

Herr Graf von Heister: »Sie kommen noch, Madame Kummerfeld! Ich habe gedacht, Sie würden nicht kommen.« Ich entschuldigte mich mit der Wahrheit.

Herr Graf von Heister: »Es geht Sie auch nicht an, was ich vorgetragen habe. Doch sollen Sie es doch wissen, was ich den Herren gesagt habe. Wir sind gesonnen, die Gesellschaft bis an den Aschermittwoch zu behalten. Jeder soll bis dahin seine Gage haben, wofür er engagiert ist. Aber wer seine Schuldigkeit nicht tut oder Händel und Zänkereien anfängt, ist entlassen, und das Theater hört auf. Aber, wie schon gesagt, Madame, Sie geht es nicht an.«

Trotz des mir sehr Schmeichelhaften, was der Herr Graf von Heister gesagt hatte, dauerten mich die, die ebenso friedfertig dachten, wie ich, und oft in Verdrießlichkeiten kamen, ohne zu wissen, wie oder warum. H. von Krenzin, H. und Mad. Wezel würden keinem was in den Weg gelegt haben; sie waren gute, verträgliche Menschen.

Gewünscht hätte ich, daß der Adel wieder selbst ein Theater errichtete. Aber bei so vielen Unruhen?! Und doch war es nicht leicht möglich, nach der damaligen Einrichtung, daß ein fremder Direkteur ohne Schaden bestehen konnte. Das Logengeld war zu gering. Immer kostete es dem Adel sehr viel, aber der Direkteur hatte doch davon keinen Nutzen. Der Hof gab 800 Gulden. Jede adelige Familie vom ersten Rang hatte ihre eigene Loge und einen Sitz im Parterre, der aber fest angeschlossen war. Die Person zahlte im ersten Rang 21 Kreuzer (nach Reichswährung 24 Kreuzer), sie waren nicht abonniert; folglich zahlten sie nur, wenn sie kamen.

Zwei Regimenter lagen da, alle Herren Offiziere waren abonniert, sie mochten kommen oder nicht. Wieviel das eintrug, weiß ich nicht mehr. Der zweite Platz kostete für die Person die Hälfte des ersten und die Galerie die Person 2 Kreuzer.

Jede adlige Familie zahlte ansehnliche Summen für ihre Loge, gab auch die Beleuchtung mit Wachslichtern in[112] derselben. Diese Summe aber fiel in die Theaterkasse. Von dem Geld wurde das Schauspielhaus unterhalten, Dekorationen gemacht, auch Kleider usw.

Die Fasten wurde nicht gespielt. Welche Summe wurde erfordert, die eingenommen werden mußte, wenn ein Direkteur das wieder ersetzt haben wollte! Die Reis-Verschreibung von neuen Leuten und 6 Wochen Fastengage, wenn sie auch während der Fasten nur halbe Gage hatten. Schon war er halb bankrott, ehe er anfing zu spielen.

Dies alles erfuhr ich erst das zweite Mal, als ich da war. Hat man mich falsch berichtet, so kann ich keine Rechenschaft weiter davon geben und nur sagen: So habe ich gehört. Ich leugne es nicht, hätte ich stille, friedfertige Schauspieler gefunden, ich hätte die Direktion in der Fasten übernommen. Vielleicht bei einer vernünftigen Sparsamkeit und Einrichtung wär's gegangen. Mich frug einmal bei Gelegenheit der Herr Graf von Heister, ob ich die Gesellschaft übernehmen wollte. »Ja, Herr Graf! Aber ich kann rechnen.« »So,« sagte er und lächelte. Es waren zu wenige ruhige Menschen bei dem Theater. Hätte ich hoffen können, solcher ruhig Gesinnten habhaft zu werden, wie ich bei meinen Direkteurs gedacht und wie einige, die ich kannte, dachten (aber, leider, nur einige), ich hätte es gewagt. Welch Vergnügen wäre es mir gewesen! Wie würde ich gearbeitet, gesorgt und gewacht haben, um einem Häuflein guter Menschen ein ruhiges Brot zu geben! Wir hätten es alle in Innsbruck finden können.

Herr Bulla sollte mit seiner Gesellschaft, die er hatte, an unsere Stelle kommen. Gleich zu Anfang des Jahres 1782 kam Herr Borchers und suchte Schauspieler nach Linz. Er hatte Order von dem Herrn Grafen von Rosenberg, der eine neue Gesellschaft einrichten wollte, von der Herr Borchers Direkteur wurde. Ich schloß mit ihm einen Kontrakt auf ein Jahr. H. Borchers wünschte auf längere Zeit; denn er hätte den seinigen auf vier Jahre. Ich konnte nicht. Er engagierte die Personen, von denen er wußte –oder, vielmehr, von denen gesagt wurde: sie fehlen; wählte von der Gesellschaft noch Mad. Paartl, H. Betge, H. und Mad. Simoni, Madem. Haller, H. Ziegler, 6 Personen. Ich wünschte[113] so sehr H. und Mad. Wezel und Herrn Krenzin. Aber er sagte: »Ich kann nicht; denn für die Rollen, die sie spielen, hat der Herr Graf schon andere verschrieben.« Ich wünschte, daß die anderen auch so gut sein möchten. Mühe, viele Mühe gab ich mir, aber Herr Borchers sagte: »Ich kann und darf nicht. Ich käme sonst in Verantwortung; ich habe einmal meine Order.« Demohngeachtet glaubten sie, ich wäre schuld, daß sie nicht engagiert wurden.

Wir spielten nun in Innsbruck ruhig und friedlich fort. Hätte es nicht immer so sein können?! – Bis zum 12. Februar. Wir haben in der Zeit gespielt 172 mal; gegeben sind worden 16 Trauerspiele, 81 Dramen und Lustspiele, 32 Nachspiele. Ich habe mitgespielt 123 mal, ohne die Ballette, bei denen, wenn eine in Wochen lag, ich eintrat, oder indem ich bei einem großen, festlichen Ballett, wo es mehr auf Pantomime als auf Tanzen ankam, eine pantomimische Partie übernahm. Rollen habe ich geliefert 84, darunter waren 56 ganz neue. Ich glaube, daß das alles Mögliche ist, was man leisten und liefern kann, wenn man will. Auch weiß ich gewiß, daß, solange ein einziger lebt, der mich gekannt, ich gewiß in Innsbruck nie vergessen werde. Gewiß ebensowenig, wie ich Innsbruck vergessen kann.

Ich hatte das Glück, so manche gute, vortreffliche Menschen kennen zu lernen; man machte mir so manchen vergnügten Tag; man begegnete mir mit so vieler ausgezeichneten Ehre: Unvergeßlich wird mir der letzte Maskenball sein. Der Herr Graf von Heister sagte: »Da ist unsere liebe Kummerfeld! Wir sehen sie heute zum letzten Male hier, und da müssen wir auch noch alle mit ihr tanzen.« Und das geschah; ich tanzte fort fast bis zum Morgen.

Nie werde ich Innsbruck wiedersehen. Aber wie oft war schon meine ganze Seele da! Wie könnte ich vergessen den Herrn Grafen von Trapp, seine vortreffliche Frau Gemahlin und seine Gräfin Mutter. Oh, diese liebenswürdige, edle Dame ist leider nicht mehr. Den Herrn Grafen von Ferraris, Herrn Grafen von Selb, das Haus des Herrn von Pannitzky und meinen kleinen, nun freilich älter gewordenen Liebling Xaver Pannitzky, und wie viele sind nicht noch, die[114] so freundschaftlich gegen mich gedacht. Nie, nie werde ich sie vergessen. Nie habe ich gelernt, bei der glücklichen Bekanntschaft mit neueren Freunden die alten zu vergessen. Mein Herz ist groß, es hat Raum für viele, kann viele in sich schließen. Dann die schönen Gegenden! Die mit Schnee bedeckten, ehrwürdigen Gebirge, die mit Blumen bedeckten Wiesen an dem Innstrom! Wenn ich des Morgens vor Sonnenaufgang so ganz allein die steilsten Berge erkletterte, ein Plätzchen fand und zu mir sagte: »Ach, wie ist es hier schön,« an meinen Bruder und nach Hamburg an meine Hinrichs dachte, an alle meine Freunde – Wohltäter! Oh, daß ihr alle in dem Augenblick um mich her versammelt wäret, mit mir sehen, mit mir fühlen, mit mir euch freuen könntet! Da fiel manche sanfte Träne, da schnitzte ich wenigstens eure Namen in die Bäume, küßte sie und glaubte euch bei mir.

Den 15. Februar reisten wir fort. Es war eine fürchterliche Reise, doch hatten wir kein Unglück. Ueberhaupt weiß ich nicht und kann auch Gott nicht genug dafür danken, wie er mich immer auf so vielen gefahrvollen Reisen so gnädiglich beschützt.

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 107-115.
Lizenz:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon