1.

[135] Ich darf Ihnen nicht erst das Glück der Gesundheit lebhaft schildern, es leuchtet Allen in die Augen, und der gesunde Jüngling, der in der Fülle seiner Kraft blüht, der stark und rasch ist, steht in ausserordentlichem Reize gegen den kränkelnden, schwächlichen, siechen jungen Mann, da: So wie Munterkeit und Gesundheit überhaupt günstige Meinungen für unser Betragen und für unser Herz erweckt; hingegen Siechthum und Blässe so oft schiefen Urtheilen über unsere Aufführung aussetzt, und uns nicht selten an unserm ganzen Glücke schadet; so nimmt uns auch Kränklichkeit gemeiniglich die Züge der Heiterkeit, oft auch der Theilnahme, weil sie grämlich, verdrüßlich, mißmüthig aussehend macht, und tödtet gleichsam das Leben der Miene; da sie außerdem die wahre Erzeugerinn der Schönheit und des Reizes ist, uns erst zum wahren Lebensgenuß fähig macht, und uns des reinen, unverdorbenen Gefühls für das Edle, Angenehme und Schöne leichter fähig macht, so müßten wir kein Gut höher schätzen, als die Gesundheit, und darum diese, bei dem Bestreben sich zu verschönern,[135] doch nie übersehen, oder wohl gar, wie so häufig geschieht, durch schädliche Schminken, Pressungen, zu große Einengungen und dergleichen gemißbraucht und verdorben werden.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 135-136.
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