Jünglinge!

Ich weiß Sie nicht schöner und besser hier anzureden, als mit diesem reizzenden einfachen Namen Ihres frohsten Menschenlebens! Das Wort Jünglinge, klingt mir so schön, und es führt mir, wenn ich es nur aussprechen höre, so viel frohe Gefühle und alle die frohen und reizenden Nebenideen, von dem unbefangnen sorglosen Leben, und den Freuden der Jugend in die Seele; es ist mir oft, als wenn selbst das bloße Wort in unsrer deutschen Sprache vorzüglich wohl und in einem schönsprechenden Munde über Alles reizend[5] klänge. Und wenn ich nun hinzusezze-deutsche Jünglinge! o so ist mir, als wenn ich den Biedersinn, die Redlichkeit, die treue Vaterlandsliebe, den Muth, das leutselige Wohlwollen, die reinste Brudertreue selbst sprechen hörte; ungerufen drängen sich mir diese Ideen in die Seele und verbinden sich harmonisch mit einander.

Der Name und die Würde des deutschen Jünglings ist groß und ist auch dem Ausländer werth; denn man kennt ihn an seinem Unternehmungsgeiste, an seiner Wißbegierde, an seiner Tapferkeit und Unerschrokkenheit, an seiner Treue, Standhaftigkeit und Wahrheitsliebe, an seinem vorstrebenden Geiste, an seinem Biedersinne. Welch ein Ruhm, welch eine Hoheit! Welch ein Antrieb, immer mehr, immer größer zu werden, sich immer mehr auszubilden und den Vorwurf immer ungültiger[6] zu machen, den der Ausländer so gewöhnlich dem deutschen Jünglinge macht, daß er nemlich in seinen Sitten zu roh und plump, sein Anstand zu steif und linkisch sei, und daß er hierinn sich noch sehr nach andern Nationen, und besonders nach Frankreichs und Englands Jünglingen bilden könne. Ob dieser Vorwurf ganz ungegründet sei, will ich Ihrem eignen Urtheile überlassen; aber läugnen kann ichs nicht, daß es auch unter Ihnen viel schöne Ausnahmen giebt, die dem Engländer an schönem und solidem Ernste, an würdigem Anstande, und dem Franzosen an ihrem gefälligen Aeusserm, an Gewandheit und Geschmeidigkeit wenig oder nichts nachgeben, und jene vielmehr noch übertreffen, indem Sie ihre Tugenden und nicht ihre Fehler haben, die in dem einen oft als finsterer Ernst und Kälte, und in dem andern oft als Flüchtigkeit[7] und Windbeutelei erscheinen. Damit nun Ihnen, gebildete deutsche Jünglinge, diejenigen ähnlich werden, die eins und das anders noch an ihrem Aeussern abzuschleifen haben, so übergeb' ich Ihnen diesen kleinen Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit, mit der Bitte, daß Sie Ihren Brüdern, die Ihnen noch nicht ähnlich sind, denselben empfehlen.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 5-8.
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