Seekrankheit

[101] unvermeidlich. Sie hat allerdings auch ihr Unangenehmes, aber man darf nie vergessen, daß sie auf einer Gesellschaftsreise dem von ihr befallenen Teilnehmer Gelegenheit giebt. »Endlich allein!« zu sagen.

Fühlt man die Seekrankheit nahen, so bittet man die Damen, in deren Gesellschaft man in diesem Augenblick sich befindet, um die Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen. Wartet man die Antwort zu lange ab, so gehen die Damen fort, da die Katastrophe eingetreten ist; dann kann man es sich bequem machen.

Fragt man einen älteren Seemann, ob er nicht ein sicheres Mittel gegen die Seekrankheit wisse, so bejaht[101] er und rät, eine Cigarre zwischen die Lippen zu stecken. Solange man die Cigarre zwischen den Lippen trage und rauche, habe man die Seekrankheit nicht. Man probiere dies nur, ein anderes ebenso sicheres Mittel existiert nicht, weil es überhaupt keins giebt.

Wer jemals seekrank gewesen ist und hingestreckt die Hoffnung aufgegeben hat, jemals die Kajüte lebendig wieder zu verlassen, weiß, daß man in dieser tückischen Krankheit alle Engel in Himmel singen oder pfeifen hört. Wer also einem Feinde, der nicht musikalisch ist, die Seekrankheit wünscht, ist ein Gemüt.

Führt man ein


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 101-102.
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