Beilage

[8] Am 13. Juli 1708, auf welchen Tag das Ordensfest angesetzt war, holte der Grand-maître von Kamecke, als jüngster Ritter, und der Ordens-Ceremonienmeister den Eisenachischen Bevollmächtigten in zwey Königlichen sechsspännigen Kutschen und mit dem übrigen gewöhnlichen Gefolge gegen 10 Uhr des Morgens aus seinem Quartier, im Gersheim'schen Hause, ab.

Weil Seine Majestät das Ordensfest diesmal im Dom halten, und dahin in Procession zu Fuss gehen wollten, so war ein bretterner Gang, von der grossen Stiege an über den äussersten Schlossplatz und über den Domkirchhof bis an das grosse Thor des Domes, aufgeschlagen und mit rothem Tuch bekleidet worden. Die Grenadiergarde stand an beyden Seiten von der grossen Stiege an bis in die Hälfte des Domes hinein; dahingegen die andere Hälfte des Doms mit Gardes du Corps von beyden Seiten besetzt war. Ueberdies war noch ein Bataillon in dem innersten Schlossplatze unter dem Commando des Obersten von Gersdoff aufgestellt, welches die ganze Seite nach den Kronprinzlichen Gemächern erfüllte.

Es ward auch, weil Seine Majestät unter freyem Himmel zu Fusse gehen wollten, über Allerhöchstdenselben ein Dais getragen, von 4 wirklichen Kammerherren, welche die 4 Cordons hielten, und von 4 Titular-Kammerherren und 4 der ältesten Kammerjunker, welche die 8 Stangen trugen, und neben welchen 12 Königliche Laquayen gingen, die Tragenden theils zu soulagiren, theils auch den Himmel während der Ceremonie zu halten, wie sie auch schon au der grossen Stiege so lange thun mussten, bis die verordneten Herren Träger den Dais ihnen abgenommen.

Der Dom war ganz mit Tapeten behangen, und an dem Oberende, wo sonst der heilige Tisch zu stehen pflegt, war das davor stehende Gitter abgebrochen und eine grosse hohe Estrade erbauet, allwo Seine Majestät ganz am Ende auf einem drey Stufen erhöhten Throne sassen, und über Sich nicht nur Ihren gewöhnlichen Ordens-Dais, sondern über diesem noch einen sehr hohen von gleichem Carmoisin-Sammet und mit gleichen güldenen Tressen gezierten Himmel mit dem Reichswappen hatten, welches vortrefflich anzusehen war. Die Herren Ritter standen von beyden Seiten, nicht in die Queer, wie bisher aus Mangel des Raumes in der Ordens-Capelle geschehen, sondern die Länge herunter, in deren Mitte am Unterende, aber einige Schritte davon, Seiner Majestät gegenüber, der Tisch gesetzet war, vor welchem der Herr Bischof stand, mit dem Gesicht nach Seiner Majestät und mit dem Rücken nach der Gemeinde zu.

Weil, wie gesagt, durch den innersten Schlossplatz und durch die Hauptwache hindurch ein bretterner Gang gebaut war, so konnten die Abholenden[8] (der von Kamecke und der Ceremonienmeister) den Bevollmächtigten nicht, wie sonst bei der Aufholung zu geschehen pflegt, in den Schlosshof hineinfahren, sondern mussten vor der Hauptwache aussteigen und bey dem Herrn Bevollmächtigten das diesmalige Unterbleiben des Einfahrens entschuldigen, welches derselbe auch, nach erlangter Ueberzeugung der Unmöglichkeit, bestermaassen vermerkte.

Nachdem der Bevollmächtigte in das Conferenzgemach gebracht und daselbst von den Ordensofficieren angekleidet worden, ward er in dem herkömmlichen Aufzuge hinauf zu Seiner Majestät und den versammelten Rittern geleitet, allwo Seine Majestät ihm zu Parrains die beiden ältesten adelichen Ritter verordnet, welches diesmal der General-Lieutenant von Tettau und der Herr Feldmarschall war.

Hierauf ward dreymal gepauket und mit Trompeten geblasen, und nach dem dritten Male setzte sich der Zug in folgender Ordnung in Bewegung:


1. Einige der Hofleute,

2. die Trompeter und Pauker,

3. die Schweizer-Officiere in ihren Mäntelkleidern,

4. die beyden Herolde,

5. der Ordens-Schatzmeister, die Ordenskette auf einem Polster tragend,

6. der Ordens-Secretarius und der Ordens-Ceremonienmeister,

7. die adelichen Ritter paarweise, und die beyden Letzten den Herrn Bevollmächtigten zwischen sich führend;

8. die 4 Prinzen Paar und Paar,

9. der Ordens-Kanzler mit dem Ordens-Siegel,

10. Seine Majestät unter obbeschriebenem Dais, und zu beyden Seiten Allerhöchstderselben die beyden Capitaine der Garde,

11. hinter Seiner Majestät die Vornehmsten des Hofes.


Die Schweizergarde ging von beyden Seiten neben Seiner Majestät her.

Alle miteinander: Hofleute, Trompeter, Herolde, Ordens-Officiere und die Officiere von der Garde, ingleichen der Bevollmächtigte, bevor er den Orden empfangen, gingen mit entblösstem Haupte, nur die Ritter ausgenommen, welche nebst Seiner Majestät allein bedeckt waren, wie solches vor der Procession Jedwedem angesagt worden.

Während des Zuges wurden von allen Garden die Trommeln gerühret und zugleich alle Glocken der Stadt geläutet, was noch niemals bey einem Ordensaufzuge geschehen war.

Der Bevollmächtigte stand in der Kirche vor einer Queerbank auf der Seite der Prinzen, und neben ihm standen die beyden Herolde, wie auch der Ceremonienmeister.

Das Becken zur Offrande war zur linken Seite des Tisches und des Herrn Bischofs auf ein Tabouret gesetzet.

Die Zuschauer wurden auch diesmal, wie sonst beym Ordensfest gewöhnlich, nicht anders als auf Billets eingelassen, welche mit des Herrn Ordens-Kanzlers Siegel bedruckt und durch den Ordens-Ceremonienmeister ausgetheilt worden.

Die fremden Herren Minister hatten, wie sonst auch, eine eigne Bank und Loge, die ihnen der Hof-Ceremonienmeister von Drost anweisen musste.[9]

Im Herausgehen aus der Kirche war der Bevollmächtigte, gleich den anderen Rittern, bedeckt, da er nunmehr den Andern gleich stand. Weil nun diesmal die Zahl der Ritter ungleich, und daher der Bevollmächtigte, als zu den Fürsten gehörend, sich entweder zu den Prinzen schlagen, oder allein hätte gehen müssen, so ward für gut befunden, die vorige Symmetrie beyzubehalten und denselben zwischen seinen Parrains gehen zu lassen.

I.K.H. die Kronprinzessin sah aus ihrem Gemach dem Aufzuge zu; II. HH. die beyden Frauen Markgräfinnen aber befanden sich im Dom, in der Königlichen Loge auf dem Chor.

Das Ordens-Mahl ward wieder in dem Ordenssaal gehalten.

Hierauf fuhr der Bevollmächtigte Geheime Rath von Pflug, ohne seinen Ordensornat abzulegen, in einer Königlichen Kutsche mit 2 Pferden und 2 Königlichen Laquayen, welche ihm in Rücksicht seines Alters, und weil er dem Hofe von langer Zeit her nahe stand, gestellt worden waren, ohne weitere Ceremonie nach Hause; die übrigen Ritter dagegen legten, wie gewöhnlich, ihre Ordenskleider ab.

Bis auf diese Zeit ist noch niemals eine Ordens-Ceremonie im Dom, und noch nie mit einer solchen Solennität begangen worden, welche so gross war, dass sie auch niemals prächtiger und grösser seyn könnte, selbst wenn ein König in Person den Orden empfangen sollte.

Der Bevollmächtigte hat die gewöhnlichen Ordensgebühren alsbald Tags nach der Investitur abgetragen

Das von dem Eisenachischen Bevollmächtigten mitgebrachte Wappen des Herzogs ward nicht angenommen, weil darin sich auch die Felder von Cleve, Jülich und Berg befanden, vielmehr ward dem Ueberbringer angedeutet, dass er es in gleicher Weise, wie es auch der Herzog von Zeitz gethan, abändern und bloss das Sächsische Wappen mit dem Rautenkranz darauf darstellen lassen möchte, womit denn auch der Herr Bevollmächtigte, zumal er ja auch Procureur des Herzogs von Zeitz gewesen, im Namen seines dermaligen Principals sich vollkommen zufrieden bezeugte.

Fußnoten

1 Jetzt R.v. Decker's Verlag G. Schenck, Königl. Hofbuchhändler.


2 Obgleich diese Blätter sich nur mit dem Ceremoniel des Königlich Preussischen Hofes beschäftigen, so soll hier doch erwähnt werden, dass bei dem Gottesdienste, welcher aus Veranlassung der Eröffnung des Reichstages für die evangelischen Mitglieder desselben in der Schlosskapelle stattfindet, die Anordnung der Plätze folgende ist:

Die Allerhöchsten und die Höchsten Herrschaften nebst Obersten Hofchargen dem Altare gegenüber. Rechts vom Altare die Mitglieder des Bundesraths, an dessen Spitze der Reichskanzler, dahinter Vortritt und Gefolge der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften, links vom Altare die Feldmarschälle, die Staats-Minister, die Generale, die Wirklichen Geheimen Räthe, die Räthe erster und zweiter Klasse, sowie die Obersten und Regiments-Commandeure. Die dem Altare gegenüber, rückwärts der Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften befindlichen Plätze sind in allen drei Abtheilungen für die Mitglieder des Reichtags bestimmt, unter denen die mediatisirten und die landsässigen Fürsten die ersten Plätze in der rechts von den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften gelegenen Abtheilung einnehmen.


Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 8-10.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.

158 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon