3. Von der Kleidung.

[30] Beda Weber sagt einmal: »Die Grundlage zum Urteile über den inneren Wert des Nächsten bildet bei mir stets das Kleid, welches er bewußt oder unbewußt wählt oder ausstellt. Mir sind wenige Fälle bekannt, wo ich mich auf diese Weise geirrt hätte.« In der That gibt der Mensch in der Art, wie er sich kleidet, in Schnitt, Farbe, Stoff, Gattung der Kleider, zu erkennen, wes[30] Geistes er ist. »Kleider, Lachen, Gang« sagt der weise Sirach, »verraten den Menschen.« Vom bunten und ernsten, vom besseren und schlechteren Anzug kann auf den Seelenzustand des Trägers geschlossen werden, und das Sprichwort hat recht, wenn es sagt: »Kleider machen Leute.« Deshalb merke in Bezug auf die Kleidung folgendes:

1. Kleide Dich reinlich. Man kann anständig gekleidet sein, auch wenn man dürftig gekleidet ist, nicht aber, wenn man unreinlich gekleidet ist. Dürftigkeit schändet nicht, wohl aber Unreinlichkeit. Der heilige Franz von Sales sagt: »Die Reinlichkeit muß an allen Kleidern zu jeder Zeit beobachtet werden; man darf weder Flecken, noch sonst etwas, was das Auge beleidigen könnte, an sich dulden. Diese äußere Reinlichkeit ist als ein Zeichen der Reinheit der Seele anzusehen. Halte also stets auf saubere, reinliche Kleidung, nimm Dich davor in acht, sie zu beschmutzen, reinige Deine Kleider vor dem Anziehen und sonst, so oft es nötig ist.«

2. Ganz besonders halte auf reinliche Wäsche. Reinliche Wäsche läßt gerne auf ein reines Herz und Gemüt schließen und ersetzt kostbare Kleider. Ebenso soll das Schuhwerk immer blank sein, mit schmutzigen Schuhen darf man nie aus seinem Laufe in die Oeffentlichkeit treten.

3. Trage keine zerrissenen Kleider. Jede aufgetrennte Naht und jeden Riß lasse baldigst ausbessern, fehlende Knöpfe lasse sofort ergänzen. Vom schadhaften Kleide schließt man auf ein verkommenes Innere.[31]

4. Die Kleidung sei geordnet, nicht nachlässig und schlodderig angelegt, so daß Du z.B. mit herabhängenden Strümpfen umhergehst. Wer Ordnung in der Kleidung nicht beobachtet, wird mit Recht für einen zerfahrenen, gleichgültigen Menschen gehalten.

5. Kleide Dich vernünftig, d.h. nach Deinem Stande, Vermögen, Alter und nach der Landessitte, sowie womöglich nach der Jahreszeit, d.h. trage im Winter andere Kleider als im Sommer. Diese Forderung ist sehr wichtig für Menschen und Stände, die anderen ein gutes Beispiel geben sollen. Sie haben sich so zu kleiden, daß sie einerseits ihrem Stande nichts vergeben, anderseits die Achtung der Untergebenen nicht verlieren. Letztere nämlich schließen mit Recht von der Kleidung auf den Geist.

6. Kleide Dich einfach. Je einfacher, desto geschmackvoller. Suche Dich nicht über Stand und Vermögen zu kleiden und alle ärgerlichen, auffallenden und lächerlichen Modethorheiten mitzumachen. Dadurch verrätst Du nichts weiter als Hoffart, Eitelkeit, Hochmut und Geistesbeschränktheit, verbunden mit Rücksichtslosigkeit gegen Deine Mitmenschen.

7. Damit soll nicht gesagt sein, daß Du Dich niemals der Mode anbequemen dürfest. Ahme die anständigen und praktischen Moden nach und jene, die unter vernünftigen und gebildeten Menschen üblich sind.

8. Vor allem soll natürlich die Kleidung den Forderungen der Sittlichkeit und Ehrbarkeit entsprechen.[32]

9. Bei den wichtigsten Handlungen Deines Lebens erscheine nur in den besten Kleidern, so wenn Du zur Kirche und besonders, wenn Du zur heiligen Kommunion gehst; ebenso bei festlichen Veranlassungen und wenn Du vor einer geistlichen oder weltlichen Behörde zu erscheinen hast. In diesen Fällen in seiner alltäglichen oder Arbeitskleidung zu kommen, wäre sehr unschicklich.

10. Zu Hause brauchst Du Dich nicht allzu ängstlich an diese Regeln zu binden, doch sollst Du auch da immer so gekleidet sein, daß Du Dich vor jedermann sehen lassen und jederzeit Besuche empfangen kannst, also anständig, ordentlich und reinlich.

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 30-33.
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